Heute gehen wir PICKNICKEN.
Die Eisheiligen sind gerade übers Land gezogen ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Selbst die kalte Sophie verschonte Land und Leute vor Frost. Jetzt, kann sich der Frühling richtig entfalten, die Natur in zarten Farben erblühen lassen. Wenn die Turteltauben gurren und die Liebespärchen turteln, ist die Luft samtweich, das junge Gras zart wie nie. An diesen schönen Tagen verspürt der Mensch eine gewisse Unruhe, eine Sehnsucht sich in idyllisch, heiterer Umgebung allerlei Genüssen hinzugeben. „Es gefiel mir, die eleganten Frauen und die Leute zu beobachten, die mit Flaschen, Körben, Stühlen und einer Bank gekommen waren, um am Flussufer unter Bäumen zu soupieren“, notierte Samuel Pepys 1667 in sein Tagebuch. Die Londoner lieben es, die Sonntage auf diese angenehme Weise zu verbringen. In Paris ist es das Dîner en blanc, das dem Picknicken im öffentlichen Raum weltweit zu einer gewissen Popularität verhalf. Da geht es auch ein Stück weit um zivilen Ungehorsam, der Besetzung eines prominenten städtischen Ortes, wenn mittlerweile tausende weißgekleidete Pariserinnen und Pariser ihre mitgebrachten Tische und Stühle zu langen Tafeln aneinanderreihen um dann das dreigängige kalte Menü zu genießen. Ein prächtiges Picknick. Vielleicht wurde Julia Kutas, die seit ihren Kindertagen immer wieder Paris besucht, von diesem feierlustigen öffentlichen dinieren inspiriert? Jedenfalls organisierte sie als 18jährige im Wiener Burggarten ein orientalisch angehauchtes Picknick für Freunde und Familie ehe sie nach London zum Studieren ging. Ein Bild, das, so scheint es, zum stillen Begleiter wurde und sich immer wieder in ihren Lebensalltag drängt. Ob als Angebot von Picknickkörben mit selbstgemachten, abgewandelten Wiener Delikatessen oder dem Verfassen von Rezepten für ein Kochbuch – das Picknick ist die Basis für ihren Erfolg. In City Picknick, das im Brandstätter Verlag erschienen ist, präsentiert Kutas Gerichte für bestimmte Momente bzw. Lebenssituationen. Ein Bett-Picknick nach durchtanzter Nacht, diverse Lunchboxvariationen für die Mittagspause oder Fingerfood als unkomplizierte Gelegenheit für viele verschiedene Situationen finden sich in diesem Kochbuch genauso wie Köstlichkeiten zum Verschenken oder der klassisch befüllte Korb für das Picknick im Grünen. In acht Kapiteln umreißt die Autorin das Thema mit pfiffigen, köstlichen Gerichten, die in lustiger Gesellschaft mit Familie und Freunden oder zu zweit am Straßenrand, in Parks, auf der Terasse, in den eigenen vier Wänden oder sonst wo verzehrt werden sollten. Allerdings bedarf die Umsetzung einer gewissen Logistik. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das City Picknick Kochbuch mit den Basics beginnt, einer umfangreichen to do Liste, die stressfreies, lustvolles Mahlzeiten im Grünen erst ermöglichen. Das fängt beim Auskundschaften des Picknickplatzes an und endet bei der äußerst hilfreichen Getränkekalkulation. Aber dann geht‘s los! Die Lunchbox – ein erster Zugang – enthält vor allem Salate und Suppen. Die Zucchini-Walnuss-Suppe beeindruckte durch die aromatische Feinabstimmung. Eine Kollegin ließ ich davon kosten, ihre Augen sprachen Bände. Anders erging es mir mit der Blumenkohl-Suppe mit Kokosmilch & Ingwer. Diese entwickelte zwar eine tolle Farbe, schmeckte aber etwas fad. Hier ist jede und jeder gefordert, dieser schönen Suppe etwas mehr Aroma einzuhauchen. Das befandübrigens auch meine Kollegin. Kutas Kreation des Caesar‘s Salad macht diesen Salatklassiker zu einem reinen Vegetarier. Sie ersetzt das Hühnerfleisch durch gebratenen Rosenkohl und Parmesantalern. Eine gute Idee und sehr gehaltvoll, wie ich finde.
Sehr sympathisch wird mir die Autorin mit ihrem Bekenntnis zu einer frühen Liebe und Leidenschaft – der Quiche. Ihr Archiv umfasst mittlerweile über 1000 Quicherezepte, wovon drei, eigentlich vier, in diesem Picknickbuch wiedergegeben sind. Die Quiche mit Prosciutto & Feigen sieht sehr verlockend, fast schon erotisch aus, muss aber bis zum Herbst warten, bis es wieder frische Feigen gibt, um nachgebacken zu werden. Anders sieht es mit der rechteckig geformten „Quiche-Cousine“ der Prosciutto-Tarte mit Zucchini & getrockneten Tomaten aus. Der erste Versuch wäre fast fehlgeschlagen, denn Kutas mischt in den Mürbteig die gleiche Menge Wasser wie Butter ein. Das weicht ab vom klassischen Mürbteig, der ohne Wasser auskommt. Die Proscuitto-Tarte wurde von meinen Söhnen hochgelobt und noch bei Tisch in Form eines Tarte-Gedankenexperiments an unzähligen Variationen gefeilt. Im Rezept-Ordner finden Sie das Kutas‘sche Originalrezept dieser wunderbaren Tarte.
Putzig sind die Süßkartoffel-Tortillas mit Feta und Minzpesto, kleine Appetithappen, die nach mehr verlangen. Aber auch die Babykartoffeln mit Rote-Linsen-Hummus oder der Tandoori-Blumenkohl mit Minz-Salsa sind einfache und gute Kost. Kutas Rezepte sind ideenreich, ohne größeren Aufwand umzusetzen, manchmal etwas kapriziös in den Zutaten, wie Balsamico-Pilze, um ein Beispiel zu nennen. Auch, dass Kutas Ghee an erster Stelle nennt und nicht Butterschmalz oder Bratbutter, mag der Laune der Köchin zugeschrieben sein.
Unzählig sind die Rezeptvorschläge in diesem Buch, die es noch zu entdecken gilt. Eine vage Vorstellung, welch kulinarische Erlebnisse mir noch bevorstehen, spiegeln die eindrucksvollen Fotos von Wolfgang Hummer wider. Er versteht es, die Gerichte äußerst effektvoll zu inszenieren. Gelegentlich, fast beiläufig huscht dabei die Autorin ins Bild. Auch Layout inklusive Schrift- und Farbwahl kann nur gelobt werden. Das durchgängig verwendete Pinkrosa, das an Mannerschnitten erinnert, und die Koordinatenangaben auf dem Umschlag heben City Picknick von vielen anderen Kochbüchern ab.
Ein tolles Kochbuch, das nicht auf Picknick-Rezepte reduziert werden darf. Aber für das nächste Picknick im Stadtpark wohl die erste Adresse, um nachzuschlagen, was alles auf den Rasen kommt.