Heute reisen wir nach ROM.
Schon wieder. Nun, Rom ist wie eine Mama, die man immer wieder besucht. Für viele Römer ist ihre Stadt unbewohnbar. Auf 100 Römer kommen 85 Autos. Alles ist alt. Selbst die Waggons der Straßenbahnen haben durchschnittlich 61 Jahre ‚auf dem Buckel‘. Verfall ist allgegenwärtig. Und die Touristen kommen wegen dem Verfallenem. Im heiligen Jahr allein 14 Mio Gäste. Während die Hotels und Herbergen sich füllen, verlassen die Römer ihre Altstadt: über 20.000 waren es letztes Jahr. Römer haben ihre Stadt im Blut, das behaupten sie über sich selbst. Einer von ihnen ist Massimiliano Fuksas. Der Stararchitekt baute das neue Kongresszentrum, das die Römer liebevoll ‚die Wolke‘ nennen. Fuksas versuchte mit seinem Bauwerk die zwei Seelen seiner Stadt sichtbar zu machen: im Innern lebt der Geist des Barock und das Aussen wird beherrscht von klarer Strukturiertheit. Ein Kampf, der in Rom überall zu sehen ist. Und das brachte der Filmemacher Fellini so auf den Punkt: ‚Rom ist ein immenser Friedhof, auf dem es vor Leben nur so wimmelt. Daher ist und bleibt Rom die ewige Stadt.‘ Vor dieser römischen Dichotomie können sich Katie und Giancarlo Caldesi auch nicht verschließen. Ihr jüngstes Kochbuch mit dem Titel: Rom. Die besten Rezepte aus der Ewigen Stadt ist nun bei Dorling Kindersley auf deutsch erschienen. Das binationale Paar, sie Engländerin, er Italiener, haben sich ganz der italienischen Küche verschrieben. Sie nehmen uns LeserInnen bei der Hand und gemeinsam wandern wir durch Rom; überwiegend durchs Zentrum. Das hat den Vorteil, dass wir alles leicht zu Fuß erreichen, allerdings den Nachteil, dass wir überwiegend unter uns bleiben, uns Touristen. Natürlich haben die Caldesis die Häuser aufgesucht und römische Familien besucht, die eine ungeschminkte lokale Küche auftischen. Das ist typisches Arme-Leute-Essen, das sich über die Jahrhunderte nicht oder wenig verändert hat. Diesem Essen spüren sie nach, wiewohl sie auch neuere Strömungen miteinbeziehen.
Das Kochbuch beginnt einleitend mit einer kurzen kulinarischen Geschichte einer reichen kulinarischen Vergangenheit. Da werden auf sieben Seiten 2000 Jahre Kochgeschichte abgehandelt. Das genügt für den Einstieg. Erfährt man doch, dass die Römer Antipasti und Gemüse besonders lieben, die Innereienküche eine Besonderheit der ewigen Stadt ist, wiewohl sich auch lokal eine autarke jüdische Küche entwickelte. Allem wird in unterschiedlichem Umfang Rechnung getragen. Überall in Rom blickt man auf Geschichte, wie auch römisches Essen die Geschichte von Menschen, die in die Stadt einwanderten, erzählt.
Dem Kapitel Antipasti und Gemüse wird viel Platz eingeräumt. Einfachste Rezepte, die es in sich haben. Allein schon beim Betrachten der Abbildung des Rindercarpaccio mit Senf- Zitronen-Dressing erhöht sich mein Puls: feinmarmoriertes Rinderfiet, das vom kräftigen Rot ins Braun übergeht, die typische Färbung gut abgehangenen Fleisches. Auch das nicht Fleischliche lässt mein Herz höher schlagen: Der Spinat mit Pinienkernen und Rosinen zeigt den Einfluss des Morgenlandes und das Kartoffel-Oliven-Püree erweiterte mein Repertoire an Kartoffelpürees. Einige der Gerichte kennt man, im Detail jedoch weichen sie ab, um Nuancen meist nur, aber das sind dann schon wieder neue Geschmackserlebnisse. Nonnas Kartoffeln in der Pfanne geröstet gehören dazu. Die Palette an Gewürzen aus Rosmarin, Fenchel, Salbei und einigen mehr, verzaubert das Mahl zu einem sinnlichen Erlebnis. Als Vorspeise servierte ich Freunden Gebackene Zwiebel zu einem Schweinerollbraten mit Rosmarin, Salbei und Knoblauch, ein einfaches Menü, das uns offenbarte, wie aus wenigen Zutaten viel, viel mehr entstehen kann. Dazu später mehr.
Nach den Antipasti steht Picknicken an. Wer möchte nicht im Garten der Villa Borghese seine Decke ausbreiten und die Schätze aus dem Picknickkorb hervorholen. Heineinbeissen in die Römische Bruschetta mit frischen Kräutern oder ein Stück römische Focaccia mit Oliven-Fenchel-Salsa belegen. Dolce vita pur. Das machen wir im Sommer dann, im eigenen Garten. Ergänzen das Picknick mit dem Street- food-Angebot Roms, etwa den Rindfleischbällchen oder der wunderbar knackigen, dünnen römischen Pizza. Die Caldesis verraten uns dazu auch, wo es ihrer Meinung nach die beste Pizza in Rom gibt: beim Bäcker auf dem Blumenmarkt.
Nun folgt das Rom-Kochbuch dem klassischen Schema: Suppen, Pasta & Gnocchi, Fisch, Fleisch, Süßes und Cocktails.
Bei den Suppen gehören die Caldinis zu den Verfechtern des sofritto, einer Suppenbeilage aus Karotten, Zwiebeln und Sellerie, der in fast jede italienische Suppe hineingehört. Und recht haben sie. Aufgefallen ist mir da die Bohnensuppe mit Pasta. Ein sättigendes Gericht und wirkungsvoll, wenn es darum geht, eine Horde hungriger Teenager satt zu bekommen.
Fast endlos ist die Liste der einfachen Speisen, die unendlich viel Geschmacksnuancen bieten. Die Pasta mit Käse und Pfeffer ein schnelles drei Zutaten-Essen. Annas Sardinenauflauf, ein zusammengewürfelter Haufen aus Sardinen, Kräutern und Semmelbröseln. Usw.
Besonders begeistert war ich – wie schon erwähnt – vom Schweinerollbraten mit Rosmarin, Salbei und Knoblauch. Deftig und zart zugleich lässt sich die Verkostung der mit Kräutern gefüllten Porchetta am ehesten beschreiben. Das will ich Ihnen nicht vorenthalten, und im Rezept beschreiben, wie sie zuzubereiten ist. Im Fleischkapitel angesiedelt ist auch das Fünfte Viertel. Das umfasst die weniger gängigen Teile eines Schlachttiers, für die die Römer eine Vorliebe hegen. Von den vielen Rezepten die in Rom kursieren, haben die Caldesis nur zwei aufgenommen. Kalbsbries mit Kartoffel-Oliven-Püree und Ochsenschwanzragout. Schade, dass sie ihren Kochbuchfans nicht mehr Entdeckergeist zutrauen und mehr Rezepte mit Innereien anbieten. Denn, „Innereien sind wie dunkle Anzüge, niemals in Mode, niemals aus der Mode – zeitlose Klassiker“, meint Paolo Trancassini vom Restaurant La Campana.
Auffällig ist die Vorliebe der Römer für Kräuter. Frischer Salbei und Rosmarin werden fast immer benötigt. Und beim Käse ist es der Pecorino Romano, der ein Dauergast in der römischen Küche ist.
Von den Nachspeisen habe ich den römischen Apfelkuchen ausprobiert. Und es war sicher nicht das letzte Mal, dass er in meinen Backofen geschoben wurde. Statt der Marillenmarmelade verwendete ich meine Orangenmarmelade. ‚La Campana‘ wie der Apfelkuchen im Original – nach dem ältesten Restaurant Roms – heißt, schmeckte vorzüglich.
Mit Rom. Die besten Rezepte aus der Ewigen Stadt haben Katie und Giancarlo Caldesi der italienischen Metropole ein kulinarisches Denkmal gesetzt. Eine gute Rezeptauswahl, adaptiert für die heutige Zeit, lässt die Feinschmecker eine City erfahren, die von der römischen Vergangenheit bis ins Heute reicht. Zudem toll gestaltet, dass das Imperium Romanum durchscheint mit wechselnden Schriften und kunstvollen Fotos. Bilder, die die Einfachheit der Gerichte widerspiegeln und in Blöcken zusammengefasst, uns Betrachter leichtfüßig durch die ewige Stadt führen. Rezepte und Bilder wirken assoziativ. Sie produzieren eine kulinarische Vorstellung von Rom, die man sofort in der eigenen Küche umsetzen will.