Heute reisen wir um die WELT.
Naja, zuerst bleiben wir auf dem europäischen Kontinent, schnuppern vorwiegend in nationale Küchen hinein. Dann wechseln wir nach Afrika über und weiter nach Asien, ohne dass wir uns auf diesen Erdteilen den dortigen Küchenfreuden hingeben. Anders sieht es dann im Nahen Osten aus, konkret die arabischen Emirate und Israel. Da lernen wir Tim Raues Lieblingsgericht Ginger Chicken kennen, auch gefüllte Weinblätte oder wie Bino Gabso in Tel Aviv Shakshuka – die in Tomatensoße gelegten Spiegeleier – zubereitet. Amerika wird uns lediglich mit einem Gericht präsentiert, Ceviche und das ist einEinwanderer in der südlichen Hemisphäre.
Sie haben vermutlich schon erraten, wovon hier die Rede ist. Kitchen Impossible, ist eine Koch-Duell-Sendung auf VOX, die mit jeder Ausstrahlung rund 2 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm lockt. Das ist doch was, meinen die Macher und goutieren den Sendungserfolg mit einem Kochbuch. Kitchen Impossible ist also Sendungs- wie auch Buchtitel. Seit 2014 treten unterschiedlichste Kochprofis regelmäßig gegen Tim Mälzer an, das heißt, sie reisen kreuz und quer durch die Welt, um eine schwer zu lösende Küchenaufgabe zu meistern. Es geht immer darum, ein in einer schwarzen Box überreichtes Gericht so exakt wie möglich nachzubauen. Eine Herausforderung für die erfolgsverwöhnten Kochartisten. In spannungsgeladenen Bildern zeigen die Meister der Töpfe, wie sie den Fisch-Eintopf Matelote, ein Zitronenperlhuhn oder eine Coca, in diesem Fall ein majorquinisches Oktopusgericht, zubereiten. Und das geht nicht ohne Emotionen ab, nicht ohne „Gefluche, Geschwitze und Geheule“, wie Tim sich wortreich auch im Buch ausdrückt. Auf den Garpunkt gebracht, geht es am Ende nur darum, wer erfolgreicher gescheitert ist. Und wenn Tim Mälzer das mit einem Fußballspiel auf einem Dorfacker vergleicht, bspw. FC Bayern München gegen FC St. Pauli, so trifft es den Kern der Sache. Denn, wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte. Das Publikum sitzt gebannt vor den Schirmen und folgt atemlos den Akteuren wie sie ihre Aufgaben lösen. Die Kontrahenten pirschen sich an das unbekannte Essen heran wie die Schweine beim Suhlen zu den Futtertrögen, schnuppernd, tastend und kostend.
Die ersten Analysen werden als Notizen festgehalten, um sie dann in einer fremden Küchenumgebung nachzukochen. Am Ende wird die Neuinterpretation einem fachkundigen Gastropublikum aufgetischt. Die vergleichen es mit dem Masteressen und bewerten die Neuschöpfung mit Punkten, zwischen 0 und 10.
Mit dem Kochbuch Kitchen Impossible wird der Versuch unternommen, eine dynamische Sendung mit martialischen Sprüchen, lautstarken Entgleisungen, pubertären Ansätzen einer 40+ Koch- und Köchinnengeneration in ein gedrucktes System umzuformen und zwischen zwei Buchdeckel zu pressen. Ein Ansatz der nur rudimentär gelingt. Denn Tim Mälzers Fangemeinde lieben nun mal seine Sprüche-Tiraden, seine aggressiven, hitzigen, frechen, kämpferischen Verbalattacken, die in der gedruckten Version von Kitchen Impossible nur mehr marginal vorkommen. Wie auch schon erwähnt, ist die Sichtweise sehr eurozentrisch, die meisten der 45 Gerichte stammen aus Italien, Spanien, Griechenland, Deutschland, Österreich, Frankreich, ein bisschen England und Tschechien. Von Afrika und Asien gibt es kein Rezept, mit Ausnahme Dubai, wenn man die Emirate zum asiatischen Kontinent rechnet. Mit Asien assoziieren wir klassischerweise Essen aus Ländern wie Japan oder China genauso wie Usbekistan, Aserbeidschan oder Dubai, heißt es in der Kapiteleinleitung. Und weiter, dass Reisen dorthin, meistens mit großer Gelassenheit beginnen und sich dramatisch zuspitzen. Extrem lehrreich! Aber ohne Ausführung. Schade, denn die Gerichte, die bspw. in den Asien Challenges die Duellanten herausforderten, wären auch für die Kochbuchfans eine Herausforderung. So erfahren wir von den Gerichten nur im statistischen Teil, mit dem jedes Kapitel eingeleitet wird. Als da wären Shah Plov, ein gebackener Reis mit Fleisch oder Fischgurke mit Seeblase in Austernsoße oder die Honigtorte Medovik usw., deren Rezepte mir fehlen.
Das was Kitchen Impossible auszeichnet, sind seine Bilder, eine Vielzahl von Eindrücken in sehr kontrastreichen satten Farben und viel Schwarzweiß. Hier kommen die Fans auf ihre Kosten, ist doch das Lieblingsmotiv meist Tim und das in allen erdenklichen Situationen.
Von den Rezepten hätte ich mir wie erwähnt mehr erwartet. Das Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat oder den Kaiserschmarrn mit Apfelmus oder die Salzburger Nockerln findet man in unzähligen neueren Kochbüchern aus der Feder von Spitzenköchen. Hier wäre ein Blick abseits touristischer Pfade interessanter und vielversprechender was die Herausforderung anbelangt. Auch hätten mich mehr die Gespräche, die nach solchen Kochereignissen stattfinden, etwa die Einschätzungen der Jurymitglieder oder Gastgeber interessiert. Das heißt, die Auseinandersetzung mit den nachgekochten Gerichten findet so gut wie nicht statt. Spannend finde ich bspw. die Kastanien-Sellerie-Suppe, die – ein Südtiroler Gericht – hier mit Portwein und Madeira verfeinert wird. Überhaupt ist nicht klar, ob die wiedergegebenen Rezepte nun original oder nachgekocht sind. Beim Kartoffelpüree verwendet Mälzer soviel Butter, nämlich 600 Gramm auf ein Kilogramm Kartoffeln, dass es dem Jahrhundertkoch Rubichon zur Ehre gereichte. Und Mälzer merkt hier an, dass er in diesem Kartoffelpüree beerdigt werden möchte. Diese Sendung macht mich fertig, wird Tim Mälzer auf dem Einband zitiert, was natürlich keine Anspielung auf das Kartoffelpüree ist. Fans des Kitchen Impossible-Formats kommen hier zweifelsohne auf ihre Kosten. Dieses Kochbuch mag für sie einen großen Erinnerungswert haben. Einige der vorgestellten Gerichte mögen vielleicht impossible sein, die meisten sind es nicht. Auch der Anspruch einer kulinarischen Weltreise wird nicht eingelöst. Wer sich mit dem Wettstreitfeeling, das in Kitchen Impossible grafisch toll gestaltet ist, zufrieden gibt, und wer ein Rezept der Hamburger Aalsuppe, der steirische Jacobsmuscheln mit Euter, Kohlrabi-Wan-Tan und Wiesenkräutern oder die kretische Essigwurst mit Bohnen oder das portugiesische Muschelgericht „Arroz de Marisco“ sucht, der wird hier bedient. Wem das alles zu viel ist, der kann die vorgestellten Gerichte auch am Originalschauplatz verkosten; die Liste der Kitchen Impossible-Restaurants finden Sie am Ende unmittelbar nach dem Register.