Heute reisen wir nach SYRIEN.
In ein Land, in dem seit sechs Jahren Bürgerkrieg herrscht. An einem Septemberabend 2011 schaute ich von den Golanhöhen in Israel auf das wenige Kilometer entfernte Damaskus und sah das Aufblitzen detonierender Granaten, ohne Vorstellung von der Not und dem kommenden Elend der Bevölkerung. Eine halbe Million Tote und fünf Millionen geflohene Syrerinnen und Syrer ist die traurige Bilanz heute. Viele Menschen suchen ihren Weg in die Freiheit. Aus allen sozialen Bereichen, auch Prominente wie Malakeh Jazmati. Das ist eine junge Frau, die bei einem jordanischen, Assad kritischen Fernsehsender eine Kochsendung moderierte und es damit in der arabischsprachigen Welt zu einiger Berühmtheit brachte. Dann folgte sie ihrem Mann Mohammed, der 2014 vor dem Krieg geflohen ist, nach Berlin. Im Gepäck zwei schwere Koffer voller Gewürze und Spezialitäten aus ihrem Heimatland Syrien. Sie erinnern sie an ihre Heimat, sind wohl auch Arznei gegen das Heimweh. Malakeh sieht sich selbst als Kuturvermittlerin und -retterin – Essen ist ihre Sprache. Und so schrieb sie ein Kochbuch, in welchem sie die Sehnsuchtsrezepte aus ihrer syrischen Heimat vereinigt. MALAKEH – so der Titel – ist im ZS Verlag erschienen.
Die Autorin betont in ihrem Vorwort, dass sie mit ihren Rezepten uns KochbuchnützerInnen verführen will, die vorgestellten Gerichte gemeinsam mit unseren Familien und Freunden vorzubereiten und zu genießen. Es sollten eben Kunstwerke entstehen, die mit anderen geteilt werden. Auf einigen der eingestreuten Fotos lächelt uns Malakeh Jazmati mit buntem Kopftuch entgegen, als würde sie gerade eine Geschichte aus Tausend und einer Nacht erzählen wollen, so nebenbei zu ihrer Kochtätigkeit. Es sind kürzere und längere Geschichten über Land und Leute ihrer Heimat, die sie im Kontext der Gerichte erzählt. So erfahren wir von der Vielfältigkeit der syrischen Kochkultur, die uns Malakeh in fünf Zugängen offeriert. Das sind die Kapitel: Vorspeisen, Salate und kleine Gerichte, Vegetarische Hauptspeisen, dann Hauptspeisen mit Fleisch und abschließend Desserts und Gebäck. Natürlich steht am Anfang Hummus, das arabischste aller Gerichte. Aber wer hier glaubt, das kenne ich, wird enttäuscht, denn Malakeh weicht in zwei kleinen Punkten ab vom klassischen Hummus. Zunächst würzt sie mit Kreuzkümmel und dann fügt sie Eis, fein zerstoßen, hinzu, sodass der Hummus noch cremiger und weicher wird. Man lernt nie aus. Einige der Vorspeisen sind bekannt, wenn auch inhaltlich leicht variiert, eben länderspezifisch oder von der Autorin verfeinert. Zu manchen Gerichten gibt es Geschichten, wie zum Auberginenpüree mit Tomaten. Da erfährt man, dass dieses Püree zu Ehren eines gütigen heiligen Mannes, dem Baba Gannoj in Damaskus gekocht wurde, dem es vorzüglich schmeckte. Heute wird diese Speise als Geschenk Gottes an die grüne Hauptstadt verstanden und sie schmeckt genauso gut wie vor 2.000 Jahren. Interessant ist auch die Paprikapaste mit Walnüssen, die, mit Granatapfelsirup angereichert, ein erster Hinweis ist für die Vorliebe der Autorin für die Früchte dieses Weiderichgewächses. In vielen ihrer Rezepte kommen Granatapfelkerne pur zur Verwendung oder veredelt zu Sirup oder Wein. So auch in den gefüllten Weinblättern. Und wieder konnte ich nicht widerstehen zu vergleichen, etwa mit der mir vertrauten libanesischen Küche. Werden in Letzterer Linsen beigemengt und diese mit Minze sowie Baharat gewürzt, so kommen in der syrischen Küche vor allem Kardamom und Zimtpulver zum Einsatz. Beides schmeckt ganz wunderbar.
Bei den Salaten kam ich nicht an dem Rote-Bete Salat vorbei. Diese Rohkost, mit Romanasalat und Walnüssen angereichert, lädt geradezu ein, eigene Variationen mit Kohlrabi, Zucchini etc. auszuprobieren. Auch dazu, die Gemüseknolle vorher zu blanchieren, falls es jemand nicht so knackig mag.
Auch die Bulgur-Kartoffel-Nocken oder Kibbeh Alfaker musste ich ausprobieren. Sie benötigen bereits ein wenig Erfahrung. Allein sie so zu formen, wie in der Abbildung vorgegeben, erfordert Übung. Aber hat man den Dreh heraus, dann macht es Spaß und noch mehr, diese lustig geformten Nocken zu verspeisen.
Ein Gericht, das es in der traditionellen syrischen Küche so nicht gibt, ist Nudeln in Joghurtsauce. Ein einfaches Gericht, das mit wenigen typisch orientalischen Zutaten wie Joghurt und Koriander etwas Neues in der Familie der Hartweizengriese schafft. Es war einen Versuch eines schnellen Mittagessen wert – einfach und gut.
Unter den zahlreichen Fleischgerichten hatte ich die Hackfleischnocken mit Kartoffeln und Sesamsauce auserkoren für ein geselligen Abend mit Freunden, die die orientalische Küche nicht so gut kennen. Und gleich vorweg: Wenn auch die Zubereitung dieser Kombination von Brat- und Auflaufgericht etwas aufwändig ist, das Ergebnis lässt die Mühen sofort vergessen. Hatte ich noch befürchtet, dass die Tahinsauce aus Sesampaste, Joghurt und Zitronensaft – die ist wirklich so einfach -, den Gästen nicht schmecken könnte, so wurde ich eines Besseren belehrt. Ratzeputz wurde alles zusammengefuttert. Entscheidend für die Bekömmlichkeit der Tahinsauce ist wohl, dass sie am Schluss noch einmal mit der Auflaufflüssigkeit gemischt, dann aufgekocht und über den Auflauf gegossen wird. Eine tolle Idee und himmlisch gutes Essen, das uns in einen Sultanspalast versetzte. Sie glauben es nicht? Probieren Sie es aus.
MALAKEH, das syrische Kochbuch, verführt in die einfache, bodenständige Küche des Orient. Erstaunt musste ich immer wieder feststellen, wie variantenreich die Gerichte sind, manchmal auch mit scheinbar nur geringen Abweichungen. Eine gewisse Ambivalenz hegt die Autorin offensichtlich zu Mengenangaben. Einerseits gibt sie die Zutatenmengen von Zwiebeln, Kartoffeln usw. grammgenau an, andererseits werden zwei Brühwürfel in einem Glas heißen Wasser aufgelöst ohne Milliliterangaben. Ich bin bei einem Glas Brühe dann von 250 ml ausgegangen und das hat gepasst. Auch hätte ich mir zu manchen Kochdetails noch erklärende Anmerkungen gewünscht. Wenn sie bspw. bei den Hackfleischnocken mit Kartoffeln und Sesamsauce einfordert, dass die Fleischbällchen und Zwiebeln im selben Bratfett angebraten werden, was aber für die Kartoffelscheiben offensichtlich nicht mehr gilt. Das sind allerdings marginale Kleinigkeiten.
Generell sind die Mengenangaben und Kochanleitungen sehr präzise. Ein angehängtes Glossar klärt über typische, orientalische Zutaten wie Bulgur, getrocknete Rosenblätter, Pistazien etc. hinreichend auf. Das Rezeptverzeichnis lässt zudem keine Fragen offen. Wunderschön gestaltet, die Rezepte überwiegend mit einem Foto belegt, zudem ein äußerst ansprechender Einband, mit einer haptisch erfassbaren Ornamentik den Orient andeutend, das alles macht MALAKEH zu einem Kochbuch-Schmuckstück. So bleibt mir nur noch, der Autorin Malakeh Jazmati zu attestieren, dass sie wahrlich eine Königin der Kochkunst ist – Malakeh bedeutet Königin -, und Essen eine Sprache ist, die alle vereint. Das konnte ich mit ihren Rezepten mehrmals beweisen.