Marius, Melanie Martin, MESSER

Rezepte & Techniken

Fotografie Emanuela Cino
Übersetzung aus dem Französischen von Heinrich Degen
Callwey Verlag, München, 2017, 192 Seiten, 39,95 Euro
ISBN: 978-3-7667-2282-9
Vorgekostet

Heute reisen wir ins Land der MESSER.

Das kann überall sein und nirgendwo. Nun ja, es mag Länder geben, wo jeder zweite Mensch ein Messer im Sack hat. Die Schweiz zum Beispiel. Da laufen viele mit einem Offiziersmesser herum, mit dem berühmten Schweizer Kreuz auf dem Griff. Ich habe auch eines, Typ Rambler. Zugegeben ein sehr kleines Messer, für Notfälle, wenn es darum geht, eine Scheibe Brot abzuschneiden oder einen Apfel zu schälen. Das ist praktisch und auf dem Berg viel im Einsatz. Viele Bergsteiger haben ein Taschenmesser im Rucksack. Aber es gibt auch andere Orte, wo jeder mindestens ein Messer bei sich hat. Wie auch heutzutage es fast kein Land mehr gibt, wo das Messer nicht als tödliche Waffe benutzt wird.

Wir begeben uns hier aber an jene Orte, wo Messer als Handwerkszeug wesentlicher Teil der Grundausstattung sind. In den Küchen der Wirtsstuben, Beisln, Bistros und Restaurants ist jene Zunft zu Gange, die messerschwingend ihrem Tageshandwerk nachgeht. Für die Köche und vor allem perfekten Köche ist das Küchenmesser das wichtigste Handwerkszeug. Der ehemalige Koch Didier Mouche, alias Marius, weiß das wie kein anderer. Er wechselte die Seiten, erlernte das alte Metier des Scherenschleifens und bedient mit seiner mobilen Schleifwerkstatt und seinen Schneidwaren mittlerweile weit über 500 Kunden. Metzgereien, Restaurants, Fischgeschäfte – sie alle profitieren von seinem guten Messerschliff. Ein perfekt geschärftes Messer erleichtert die Arbeit ungemein, steigert die Effizienz in der Küche und macht Freude. Für das Schneiden, Tranchieren oder Zerkleinern gibt es speziell entwickelte Messer, die sich in Form und Klinge unterscheiden. Die Vielfalt an Messern ist enorm. Und die Entscheidung, welches das richtige Messer ist, oft schwierig. Deshalb haben Marius und Melanie Martin der Frage nach dem richtigen Messer ein Buch folgen lassen. In MESSER, das im Callwey Verlag auf deutsch erschienen ist, werden die wichtigsten Typen und die zu den jeweiligen Zutaten passenden vorgestellt.

Thierry Marx, Küchenchef des Sur Mesure, erklärt im Vorwort mit wenigen Sätzen das Verhältnis des Kochs zu seinen Küchenmessern. Es ist eine Abhängigkeit, die dann zur idealen Partnerschaft mutiert, wenn der Koch folgende Spielregeln einhält: Das Messer muss gut behandelt und gepflegt werden. Die Stahlklinge verträgt keine Kompromisse. Der Griff muss zur Hand und die Klingenlänge zum jeweiligen Produkt passen. Das Schärfen der Klinge ist ein enorm wichtiger Aspekt.

Ehe es mit den Rezepten beginnt, gehen die Autoren auf die Anatomie des Messers ein. Das ist wichtig, weil uns Anwendern vielleicht zum ersten Mal bewusst wird, wie ein gutes Messer aufgebaut ist. Zudem welche Funktionen die einzelnen Teile bzw. Segmente erfüllen. Haben Sie schon einmal vom Kropf des Messers gehört? Auch Handschutz genannt, also die Hand beim Führen des Messers schützt.

Was uns aber am meisten interessieren muss, sind Schneide und Schneidkante, die erst nach richtigem Wetzen bzw. Schleifen die optimale Schneidfähigkeit erlangen. Marius erklärt anschaulich, welche Schritte beim Schleifen zur rasiermesserscharfen Schneide führen. Der Ablauf ist einfach und logisch. Der perfekte Schliff allerdings gelingt erst nach vielem Üben. Der Test, wie scharf die Klinge ist, zeigt sich dann beim Durchschneiden eines Bindfadens. Wir setzen nun einfach gut geschliffene Filetiermesser voraus und wagen uns an die Vorbereitung eines Lachsfilets, das uns Arnaud, ein Fischhändler, in fünf Schritten vorführt. Die Abfolge der Arbeitsschritte vom Fisch bis zum von Fett und Gräten befreiten Filet ist auch mit einer Bildergalerie belegt. Wie überhaupt die diversen Techniken mit dem Messer in Form von Bilderfolgen gut illustriert sind und wichtige Details sichtbar machen. Ob Fleisch von Haut und Fett parieren oder Champignons tournieren oder Ananas schälen und schneiden, die Anleitungen der Schneidetechniken sind sehr nützlich. Im Anschluss daran werden dann noch die Messertypen bildhaft vorgestellt. Beim Fleisch besteht das Sortiment aus Hack-, zweierlei Schinken- und drei verschieden großen Fleischmessern sowie einem Ausbeinmesser, mit einer scharfen Spitze zum Auslösen der Knochen. Nicht fehlen darf ein kleiner Wetzstahl zum Schärfen. In einer schematischen Übersicht wird zudem noch die Funktion des jeweiligen Messers beschrieben.

Rund um die Hauptzutaten eines Gerichts ist das Buch aufgebaut. Daran orientieren sich auch die vier Kapitel: Fisch, Fleisch, Gemüse sowie Backwaren, Käse und Obst. Danach werden noch einmal die Techniken entsprechend der Gruppierung listenmäßig erfasst. So wird beispielsweise das Rundfisch Filetieren in dem Rezept Wolfsbarsch mit Venusmuscheln erläutert. Das Vorbereiten und Kleinschneiden von Kohl wird am Beispiel des Rezeptes aromatischer Rotkohl mit Honig und Balsamicoessig erklärt und wie man eine Mango richtig aufschneidet anhand einer Mangotarte mit Vanillecreme. Learning by doing ist das Prinzip und wer sich darauf einlässt, kann sich einer köstlichen Belohnung sicher sein. Am Ende des Buches verknüpft ein Verzeichnis die verschiedenen Techniken mit potenziellen Rezepten. So findet sich, um zwei Beispiele zu nennen, im Gemüsekapitel zum Thema Champignons in kleine Würfel (Brunoise) schneiden das Rezept Eier aus dem Ofen mit Champignon-Duxelles. Oder im Fischkapitel den Fisch durch die Kiemen ausnehmen, um eine Dorade im Salzmantel mit Thymian und Zitrone zuzubereiten.

Anhand von 50 Rezepten wird vorgeführt, welches Messer wofür zu verwenden ist und wie es benutzt wird. Für Jakobsmuscheln mit grüner Spargelveloute empfiehlt sich als Erstes ein Jakobsmuschelmesser sowie ein Officemesser und ein 10 cm langes Kochmesser. Beim Zubereiten der Kalbsrouladen mit Wacholderbeeren sind ein 30 cm langes Fleischmesser und ein Küchenmesser mit 20 cm mehr als hilfreich. Den Kürbis mit gebackenem Feta, Honig und Kürbiskernen bereite ich grundsätzlich nur mehr mit einem 20 cm langen Kochmesser vor; aber das habe ich auch früher schon gemacht. Viele der vorgestellten Messertypen sind in einem gut ausgestatteten Haushalt bereits vorhanden. Es geht also primär nicht darum aufzuzegen, welche Messer fehlen, sondern wie sie eingesetzt werden. Und so war die Anleitung, wie man die Ananas mit einem Brotmesser schält und schneidet, äußerst hilfreich und die Zubereitung der gebratenen Ananas mit Rum) ein Kinderspiel. Geschmeckt hat sie meinen Gästen bestens, die nicht nur das Rezept wissen wollten, sondern auch, wie man die Ananas vorbereitet.

MESSER von Melanie Martin und Marius ist zunächst einmal eine gute Idee, nämlich eines der wichtigsten Küchenwerkzeuge im Kontext diverser Speisen zu präsentieren. Dass es dabei lustvoll zugehen kann, beweisen die Rezepte. Das Buch ist schön gemacht mit wundervollen Bildern, der silbergrau gehaltene Buchdeckel sowie -schnitt weist bereits auf Stahl, das meist verwendete Material für Messer hin. Es gibt hier keine Keramikmesser! Der große Nutzen dieses Messer- Kochbuchs liegt aber meines Erachtens im bewusst machen, dass eine scharfe Klinge, die Schnitttechnik und das richtige Messer wie die Kontrolle von Temperatur und das Abschmecken, zum A und O des Kochs, der Köchin gehören. Und ein guter Messerschleifer ist nach Miyamoto Musashi nicht nur ein Schleifer der Klinge, sondern auch ein Schärfer der Seele. Die Grundanleitung dazu, nebst köstlichen Rezepten, liefert dieses Kochbuch.