Andreas Hoppe, DAS SIZILIEN KOCHBUCH

Mit Rezepten & Fotos von Cettina Vicenzino

Südwest Verlag, München, 2017, 224 Seiten, 25.70 Euro
ISBN 978-3-517-09609-4
Vorgekostet

Heute reisen wir nach SIZILIEN.

Unser Reisebegleiter ist Berliner und er ist Schauspieler. Er spielte auf verschiedenen Theaterbühnen, wirkte in diversen Serien mit und ist der Tatort-Kommissar Mario Kopper. Andreas Hoppe ist ein umtriebiger Geist mit einer langen Filmografie und vielen Interessen. Reisen und Essen gehören dazu. Auch Bücher schreiben. Und er beschäftigt sich mit regionalen Nahrungsmitteln im Kontext der Ressourcenverschwendung. In der fünfteiligen Reihe „Der Kommissar im Kühlschrank“ versuchte er herauszufinden, ob man sich ausschließlich von regionalen Produkten ernähren kann. Er hat es überlebt, das ist der Beweis. In seinem jüngsten Werk, Das SIZILIEN Kochbuch, bereist Hoppe die größte Insel des Mittelmeeres. Er bleibt im Osten des Eilands, bewegt sich fast nur auf einem Längengrad zwischen Randazzo am Fuße des Ätna und Marzamemi, Siziliens südlichstem Punkt. In sieben Stationen, es sind Orte der Begegnungen, erzählt uns der Autor seine Erlebnisse, scheint er Trauer aufzuarbeiten. Und es sind die Menschen, denen er begegnet, die ihn aufrichten. Dass er fast schon nebenbei die genussvollen Seiten dieser Insel kennen lernt, ist voraussehbar. Die in die Kapitel einführenden Texte sind mehr Aufzählung des Erlebten, im Plauderton ohne großen Tiefgang. Ob Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ für Hoppe ein Vorbild war? Wohl kaum, zumindest gibt es in den Texten keine Anspielung. Aber die beiden sind sich ähnlich, in der Begeisterung für das Land, für die Orangen und für Syrakus. Seume schreibt in seinem Tagebuch:

„Syrakus ist eine paradiesische Stadt, schon ihretwegen hat sich für mich die Reise gelohnt.“

Hoppe ist von diesem Ort ebenfalls gefangen wie in einer Reise durch Raum und Zeit. Wohl auch wegen Maria, die verführerisch gerundet und geformte Erscheinung, die ihm Tag- und Nachtträume beschert. Sie ist es, die den Kreis seiner sizilianischen Sehnsucht schließt, das Morgen offen lässt. Nicht in kulinarischer Hinsicht. Da verspricht uns dieses 7. Kapitel der Sehnsucht und des Verliebtseins Pizza Siciliana, Sesambrötchen mit Kichererbsenschnitte und Kartoffelkroketten, Süße Reisbällchen mit Orangenhonig und Pistazieneis. Alles wunderbare Gerichte, die uns noch besser schmecken würden, könnten wir sie vor Ort verkosten; Händchen haltend mit der Liebsten. Dem aber ist nicht so. Vor mir liegt Das SIZILIEN Kochbuch und weckt Sehnsüchte, nach gutem Essen, gutem Wein und einer schönen Sizilianerin. Das sizilianische Essen koche ich mir in meiner Küche, während das Mädchen im Land meiner Träume bleibt.

Der Begleittext, also die Beschreibung von Land und Leuten, stammt von Andreas Hoppe, während die Rezepte und Fotos Cettina Vicenzino beisteuert. Cettina ist Sizilianerin, die es in jungen Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland verschlug, wo sie heute lebt. Die freiberufliche Stylistin, Fotografin und Buchautorin, hat leidlich Erfahrungen mit der sizilianischen Küche, auch weil ihre Eltern in Köln ein Restaurant betrieben.

So sind die meisten Rezepte von Frau Vicenzino beigesteuert, aber einige auch aus Begegnungen Hoppes mit lokalen Köchinnen und Köchen hervorgegangen. Konkret sind es fünf Rezepte, die allerdings auch von Cettina Vicenzino nachkochbar überarbeitet und niedergeschrieben wurden. D.h., es ist eigentlich das Kochbuch von Cettina Vizenzino. Es ist ihre kulinarische Handschrift, die sich durch das Buch zieht.

Mehr als 60 Rezepte von der ganzen Insel werden vorgestellt. Auch die berühmte Cassata fehlt nicht, deren äußeres Design so vielfältig ist, wie es Anleitungen für sie gibt. Den Auftakt bildet ein Riesenpapino mit Bückling. Das ist quasi ein Riesensandwich, ein Baguette, das angefüllt ist mit sizilianischen Zitrusfrüchten und Fisch, Käse und Salat. Schnell gemacht ist es sehr erfrischend und sättigend. Leider bekommt man bei uns nur selten die kleinen sizilianischen Orangen, die dieses Sandwich zu etwas Besonderem machen. In Taormina, der Stadt der Trauer, wird als erstes Spaghetti al Nero di Sepia, die rabenschwarzen, pardon, tintenfisch- schwarzen Nudeln serviert. Nichts Besonderes, außer der Farbe. Wer von seinem Fischhändler keinen separaten Tintenbeutel bekommt, muss auf Lebensmittelfarben ausweichen. Die Pasta mit Kichererbsen und Kürbis sind dann auch wieder ein Gericht, das in Sizilien gerne zu Totenfeiern gereicht wird. Und kein Nudelgericht, wie der Name verspricht, sondern eine Suppe. Köstlich schaurig, aber ungefährlich. Sehr lustig sind dann die süßen Totenknochen, eben diesen nachgeformte, sehr harte Kekse, für die es gute Zähne braucht. Die Knochen aus gezuckertem Mandelteig werden am Vorabend von Allerheiligen gebacken. Den Festtag feierte man mit makabren Scherzen und aß dazu die Totenknochen.

Die zwei angeführten Orangensalate lösten bei mir Déjà-vu-Erlebnisse aus, erinnerten mich an kleine Details sehr persönlicher Begegnungen während meiner Sizilienreisen. Vor allem der Tomatensalat mit Blutorangen. Er vereint zwei Früchte, die nur mit der Sonne Siziliens zu ihrem vollen Genuss heranreifen. Und weil die Blutorange für mich die ideale Frucht der Insel ist, stelle ich Ihnen das Rezept bereit. Aber achten Sie darauf, dass die Salattomaten nicht winterhart aus dem Glashaus kommen. Warten Sie lieber solange, bis es wieder gute, saftige Tomaten gibt. Fruchtig, frisch und mit der sizilianischen Blutorange Moro ist dieser Salat ein Traum.

Sizilianisches Essen ist meist einfach, abwechslungsreich und geprägt von vielen Invasoren. Sizilien ist die Geburtsstätte der italienischen Pasta. Dementsprechend sind auch viele Nudelgericht abgedruckt, wie die Pasta mit Favabohnen und Thunfischbottarga. Aber es fehlen auch nicht die Klassiker, wie der Timballo siciliano, eine Nudeltorte im Auberginenmantel Oder die Cannoli siciliani, die verführerischen mit Ricotta gefüllten Teigrollen, die es in jedem Ort zu kaufen gibt. Meist nicht so üppig mit Orangeat und Zitronat dekoriert wie die Abgebildete, sondern lediglich mit einer Kirsche belegt, ist dieses Rezept eine Herausforderung an die KuchenbäckerInnen. Für diese Süßigkeit benötigt man Cannoli-Formen, das sind Ringe im Schlauchdurchmesser, mit denen die aufgerollten Teige im Fett ausgebacken werden. Allein deswegen rentiert es sich, diesem Kochbuch mehr Beachtung zu schenken.

Das SIZILIEN Kochbuch bietet einen guten Einstieg in die Kochkultur der größten italienischen Insel. Sehr schön und großzügig gestaltet zum Teil mit Goldschrift. Hoppes Erzählungen stehen eigenständig für sich, bilden den Rahmen für dieses Sizilien Kochbuch. Manchmal erspähen wir einen Blick in die Wohnzimmer der Gastfamilien, nehmen wir teil an Festen, gewähren uns Rezepte eine Kostprobe lokaler Köstlichkeiten, wie der Auberginenauflauf, den ich jetzt unbedingt ausprobieren möchte. Und es sind die Rezepte, die uns von Sizilien erzählen, von einer Insel der Gegensätze von Luxus und Armut.

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