Nicola Maier-Reimer, Meike Stüber, Cornelia Horn, Unsere Hamburger Wochenmarkt-Küche

Ein Kochbuch mit Skizzen von Hamburger Wochenmärkten

Junius Verlag, Hamburg, 2022 - 2. Auflage, 196 Seiten, 25.60 Euro
ISBN 978-3-96060-543-0
Vorgekostet

Heute reisen wir nach HAMBURG.

Und natürlich fällt mir als Erstes die Elbphilharmonie ein und der Wunsch, ein Konzert von höchstem Klangniveau dort zu erleben, ist groß. Aber nein. Heute gilt unsere Reise den Hamburger Wochenmärkten. Unzählig sind diese kleinen Inseln der Genüsse, die das Stadtbild so beleben. Der Isemarkt ist nicht nur einer der größten, sondern auch einer der schönsten Wochenmärkte Deutschlands. Einzigartig auch, verläuft doch dieser Markt direkt unter dem Hochbahn-Viadukt. Von U-Bahnstation ‚Hoheluftbrücke‘ bis zu ‚Eppendorfer Baum‘ bewegt man sich also immer wettergeschützt zwischen zwei Stände-Reihen, im Hintergrund parallel die Hausfassaden aus der Gründerzeit. Und darüber wie ein Himmelszelt hochgestemmt von hellblau angestrichenen Stahlbögen das Brückenungetüm. Wortfetzen schwirren durch die Luft: Gibt’s noch ein Roggenbrot? Ein Traum von einem Käse! Eier! schreit der Landeier-Mann, Gerade frisch gelegt! Und eine Passantin: Ob er sie gerade selber legt? In einer Standlücke steht ein Solido Citroen Typ HY, ein typischer Verkaufs-Kombi mit historischem Wellblech, wie man sie früher auf französischen Märkten sah. Die Seiten- und Rückblende hochgeklappt, entpuppt sich der Veteran als vollausgestattetes Mini-Café. Davor und seitlich Stehtische. Wer dienstags oder freitags hier vorbeikommt, könnte an einem der Tische Hamburgs drei Beste-Markt-Freundinnen antreffen, die bei köstlichen Espressiiii sich über das anstehende nächste gemeinsame Abendessen und die Einkaufsliste unterhalten. Nicola, Meike und Cornelia verbindet aber nicht nur, dass sie gerne essen, sondern auch die Begeisterung für die über 60 Hamburger Wochenmärkte. Seit zwei Jahren ziehen sie gemeinsam durch die Märkte Hamburgs und irgendwann kam ihnen die Idee, ein eigenes Kochbuch darüber zu schreiben. Unsere Hamburger Wochenmarkt Küche, so der Titel, ist im Junius Verlag erschienen. Das Besondere, es gibt keine Fotos, aber viele Skizzen, von Menschen und Begegnungen auf Wochenmärkten, von Produkten und was damit gemacht werden kann. Knallig rote Tomaten auf der Buchdeckelinnenseite und auf dem Vorsatzblatt regen die Erwartungshaltung an und lassen Vorfreude beim Hineinblättern aufkommen. Natürlich präsentieren sich die drei besten Freundinnen auch gleich zu Anfang, lachend, mit einer Tomate in der Hand und weisen mit dem Finger auf das erste Rezept: Ofentomaten mit Olivenöl, Oregano, Salz und Pfeffer gewürzt. Festgehalten mit Zeichenstift und Aquarellfarben. Nicola, die Illustratorin, verbrachte viele Stunden auf Hamburgs Wochenmärkten, zeichnete das Marktgeschehen, die Einkaufstouren ihrer Freundinnen, Hamburgerinnen und Hamburger, die vor Ständen anstehen, Touristen, die fotografierend sich treiben lassen. In Sprechblasen gebettete Dialoge dokumentieren den Warentausch: Salzige Gurken? Den mageren Lachs? Endlich Spargel! usw. Der Marktbesuch gehört zum wöchentlichen Ritual, ist jedes Mal ein Fest für alle Sinne. Schwerpunktmäßig sind die Markterkundungen samt Rezepten auf die vier Jahreszeiten verteilt, damit auch die Kapiteleinteilung vorgegeben. In den frühlingshaften Neubeginn startet Meike, die für die Rezepte verantwortlich ist, mit Spaghetti und Bärlauch-Koriander-Pesto. Eine Anlehnung an Tim Mälzers Kräuter Pesto versus Mälzers Fototermin am Kräuterstand mit einem Bund Pfefferminze, wie in einem Bild angemerkt – ich weiß es nicht. Es zeigt aber, dass die eingestreuten doppelseitigen Aquarelle fast wie Wimmelbilder wirken, da bleibt man hängen, denn es gibt viel zu entdecken und staunen; viel helle, grün und gelb angehauchte Farbtöne wechseln sich ab mit kräftigem, vollem Rot, musikalischem Aquamarinblau und geschäftigem Violett. Atmosphärisch dichte Illustrationen, winzige Cartoons und Comic-Strecken geben einen tiefen Einblick in Hamburgs Wochenmarktalltag wie auch der gescheiterte Versuch, den Blankeneser Apfelkuchen gezeichnet festzuhalten. Eine schöne selbstkritische Darstellung von Nicola, die sich hier zeichnerisch auf die Schippe nimmt: Stell dir vor, diesen Kuchen habe ich dreimal gebacken … und keine Zeichnung. Neben dem Blankeneser Apfelkuchen hat der Polenta-Zitronen-Kuchen sofort mein Interesse geweckt. Eigentlich müsste dieses glutenfreie Backwerk Mandelkuchen mit Polenta und Zitronen heißen, da Mandelmehl anstelle von Weizenmehl verwendet wird. Seit Jahren ist dieser Kuchen im River Cafe in London ein Renner. Im Winter servieren sie ihn dort mit Blutorangen als Dessert. Aber erst die Zugabe von Ricotta verwandelt diesen Kuchen – er wird leichter und cremiger. Vielleicht möchten Sie beide Varianten ausprobieren.

Das Rezept für gefüllte Zucchini erinnerte mich an die zu erwartende reichhaltige Ernte dieser Früchtchen und so pickte ich Meikes Rezept an die Pinnwand in der Küche, wo es demnächst zum Einsatz kommen wird. Den Spargel mit Geesthachter Kräutersoße kredenzte ich einer Freundin, die gerade zu Besuch war. Von der Soße, die die Milde der Avocado und die Schärfe der Tabascospritzer durchscheinen ließ, waren wir mehr als begeistert und uns einig, dass dieses Gericht wieder auf den Tisch kommt. Überhaupt finden sich viele Gerichte in diesem Kochbuch mit Hamburg-Bezug, zumindest im Namen. St. Paulis Ricotta Bällchen mit Löwenzahn spielen mehr auf den Fußballverein an. Mit den Eppendorfer Auberginen lassen sich gut Türmchen bauen, und auf Wochenmärkte beziehen sich sowohl die Duvenstedter Western-Kartoffeln, ein Gericht eher für ‚harte Kerle‘, als auch die Flottbeker Zitronen-Cookis oder die Ottenser Hühnersuppe mit Ingwer. Die Zutatenlisten lassen manche Vorlieben erkennen, wie eben Ingwer und Zitrusfrüchte. Die Rezepte sind einfach und vielfältig, sind problemlos in der Umsetzung und beherbergen den Charme der Überraschung. Dazu zählen für mich der Estragonsenf wie auch das Hamburger Steckrübenmus oder das Rote-Bete-Carpaccio. Nicht fehlen dürfen natürlich Franzbrötchen, eine Art Zimtschnecke, die es in jeder Hamburger Konditorei zu kaufen gibt, wie auch Matjesalat, der, nach dem Stadtteil Barmbek benannt, mit Glückstedter Matjesfilets zubereitet wird. Und wo kaufen wir den jungen Hering, wenn wir in Hamburg sind? Natürlich auf dem Fischmarkt, der ab und an auch in Innsbruck ein Gastspiel gibt.

Unsere Hamburger Wochenmarkt-Küche von Nicola Maier-Reimer, Meike Stüber, Cornelia Horn ist eine wahre Augenfreude. Das Markt-Kochbuch spiegelt das bunte Treiben und vielfältige Angebot der Marktständler wider. Für viele sind Märkte Orte des Glücks, auch wenn sie nur vier Eier kaufen. Andere entdecken dort das Leben, behauptet Meikes Vater. Ich aber gehe jetzt in die Küche, denn den Möhrenhummus muss ich unbedingt ausprobieren.