Heute reisen wir nach LISSABON.
In die Stadt der sieben Hügel oder weisse Stadt, wie sie auch genannt wird. Eine Stadt am Schnittpunkt von Tejo und Atlantik, die heute vor allem junge Menschen anzieht. Und nachgefragt, was ihnen an dieser Stadt so gefällt, ist es für die einen die Leichtigkeit der Portugiesen, d.h. die Lebensfreude der Alfacinhas, wie die Einwohner Lisboas genannt werden, und für die anderen das atemberaubende Licht dieser Stadt. So wird die Fussballarena von Benfica Lissabon Stadion des Lichts genannt. Aber auch Euphorie und Untergangsstimmung gehören zur Seele dieser Stadt, das behauptet jedenfalls die Journalistin Catarina Portas. Sie betreibt ein Geschäft, das sich „Das portugiesische Leben“ nennt. In ihrem Geschäft findet man vor allem alte portugiesische Marken. Verkaufsschlager sind nachhaltig gefischte Sardinen in Dosen, schön verpackt.
Zwischen Bahnhof und Hafen liegt der älteste Markt der Stadt, der Mercado del Ribeira. Hinter den meisten Ständen stehen Frauen. Und die Kunden fragen, was können Sie mir heute empfehlen? Da kann es schon sein, dass Maria, die Peixeira – ihres Standes Fischverkäuferin -, einen großen Oktopus anpreist und demonstrativ hoch hält. Im Hintergrund ihres luxuriösen Marktstandes schimmern blaue Fliesen mit Motiven von diversen Meeresfrüchten. Überhaupt ist Lissabon voll von Fliesen. Alles ist verfliest. Selbst in vielen Restaurants sind der Fußboden und die Wände gefliest. Das heimliche Markenzeichen Lissabons, scheint es, ist die Fliese. Und so wundert es nicht, dass selbst Buchumschläge dieses Sujet verwenden. Mehr noch. Wenn die Kachelränder leicht eingestanzt sind, entsteht ein haptischer Eindruck, als würde man ein Stück dieser Stadt in Händen halten. So ist es mir geschehen mit Lissabon – Das Kochbuch von Sylvie da Silva, das im Südwest Verlag erschienen ist.
In fünf Kapiteln nähert sich die Autorin der lokalen Küche, die aber weitgehend auch die portugiesische ist. Einleitend stellt die Autorin fest, dass die portugiesische Küche eine Randerscheinung ist wie auch die geographische Lage des Landes. Aber gerade deswegen ist sie auch interessant und leider oft verkannt. Sie besteht nicht nur aus Fettgebackenem oder Klippfisch, im Gegenteil. Wir lernen mit Da Silva eine vertraute und gleichzeitig neue, offene wie auch überraschend einfache Landesküche kennen, die zu vielen kleinen Glücksmomenten im Leben beiträgt. In der Küche Lissabons beobachtet sie den Trend zur Fusionsküche. Lebensmittel aus dem heimischen Hinterland werden kombiniert mit jenen aus anderen Mittelmeerländern wie auch aus ehemaligen Kolonien. Und es sind derzeit die Caracois, kleine gelbe Schnecken, die dem Bacalhau den ersten Rang ablaufen. Von den Caracois ist nichts zu lesen im Lissaboner Vorratsschrank, den die Autorin am Beginn vorstellt. Dafür werden Piri Piri, Koriander, Zimt, Fischkonserven, Negrito und Morcela , das sind feine Blutwürste, Vinho Verde, der grüne Wein, gelistet und kurz beschrieben. Das genügt, um jene Übersicht darüber zu bekommen, was in der portugiesischen Küche wichtig ist. Zudem stellt die Autorin noch einige spezifische Nahrungsmittel, Gerichte sowie portugiesische Besonderheiten in eingeschobenen Beiträgen ausführlicher vor. Etwa Konserven, die in Lissabon angesagter denn je sind. Natürlich auch den Kabeljau oder Klippfisch, mit dem das Land zur Weltmacht kam, aber ebenso die unscheinbare Sardine, die für die Portugiesen das ist, was den Italienern die Pasta. Auch auf die drei bzw. vier wichtigsten nationalen Aushängeschilder geht sie ein. Das ist der Fußball, der Fado und Fatima, die in der portugiesischen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Und als viertes nationales Heiligtum kann Pasteis de nata gesehen werden, ein Puddingtörtchen, von dem man sich nicht sattessen kann. Die genaue Rezeptur ist geheim, aber unzählig sind die Annäherungen dieser Zimt-bepuderten Verführung. Wohltuend hebt sich Silvas Rezept von den anderen ab, die ich kenne: viel weniger Sahne. Den Cremetörtchen konnte ich nicht widerstehen und allein der Duft ließ meine Gedanken in den fernen Südwesten schweifen.
Aber zurück zum Anfang. Im ersten Kapitel geht es um kleine Happen. Einfach aber höchst gehaltvoll sind die Brötchen mit Chorizo. Wenn sie frisch zubereitet sind, wird das Zugreifen zum Reflex. Leider ist bei uns die portugiesische Chorizo, eine grobe geräucherte Schweinswurst, nur schwer erhältlich. Mit dem Oktopussalat verrät die Autorin auch ein kleines nationales Essgeheimnis, nämlich, dass nichts ohne Brot geht. Ob Sauerteig-, Weiß- oder Maisbrot, zu jedem Gericht wird Brot serviert. Umso erstaunlicher ist, dass sich im Kochbuch nur ein Rezept findet (Brötchen …), oder habe ich etwas übersehen?
Sehr angetan bin ich von den Alheira-Empadas mit Spinat nach meiner Art. Empadas sind eine Lissaboner Spezialität und eine wunderbare Zwischenmahlzeit oder können als Amuse- Gueule serviert werden. Aber Vorsicht, das Verlangen nach diesen Appettitanregern ist groß – die Stückzahl entsprechend großzügig zu kalkulieren. Am Ende des Beitrags erfahren Sie, wie diese Spinat-Häppchen zubereitet werden. Spinat-Empadas nach Da Silva kann man auch mit Hühnchen, Kohl oder anderem füllen.
Im Fisch-Kapitel, das unzählige Schmankerln enthält, fiel mir der Bacalhau à Brás auf, der Klippfisch mit Ei. Ein wunderbares Gericht, das nicht nur die Lissaboner gerne mögen. Der Stellenwert des Fisch erklärt sich fast von selbst, denn in Europa essen nur die Isländer mehr Fisch als die Portugiesen.
In der Landküche, geht die Autorin auf die typische Küche im Landesinnern ein, die sich auch in der Hauptstadt zeigt. Das sind vor allem nahrhafte, einfache Fleischgerichte mit der Note des Rustikalen. Sie werden ergänzt mit jenen Beilagen, die vorrangig auf Reis und Kartoffeln basieren. Hier wird man fündig, kommen Beilagenfans auf ihre Rechnung.
Aber Lissabon ist auch bekannt als Stadt der süßen Versuchung. Und so werden im letzten Kapitel über Desserts und Backwaren zehn Herrlichkeiten vorgestellt, die man nicht einfach überblättern kann. Und so kam ich auch nicht, ohne es auszuprobieren, an der Baba de camelo, der puddingartigen Kamelspucke, vorbei. Ein unscheinbares, sepiafarbenes aber himmlisches Dessert.
Am Ende gibt die Autorin noch ihre persönlichen Favoriten der Lissaboner Küche bekannt, die alle aufgesucht werden wollen, nachdem man gelesen hat, was es dort zu essen gibt. Aber ganz am Schluss führt mich das Register zu jenen Rezepten, die ich unbedingt noch nachkochen will. Den panierten Kabeljau , das Kalbsfleisch nach Lissaboner Art, den Reisvariationen und …
Lissabon – Das Kochbuch ist nicht nur der urbanen Küche geschuldet, nein, darin findet sich auch die nationale Küche Portugals wieder, und das umfassend. In eingeschobenen Fotoblöcken wird Lissaboner Alltag gezeigt mit Schwerpunkt Essen. Die Abbildungen zu den Rezepten sind nicht nur hervorragend, sie machen mir beim Betrachten den Mund wässrig. Da Silva ist es gelungen, die richtige Dosierung an Informationen einfließen zu lassen, die Lissabon – Das Kochbuch zu einem Lesevergnügen machen. Ganz zu schweigen von den vorgestellten Gerichten.