Heute reisen wir um die WELT.
Tessa Kiros ist eine bekannte Kochbuchautorin und Köchin, deren Markenzeichen Reiselust den Kern ihres Daseins wohl am besten beschreibt. Sie reist und sammelt, was ihr gefällt. Zurück zuhause, kocht sie die genossenen Mahlzeiten nach, lässt so das Erlebte noch einmal Revue passieren. In ihren Töpfen und Pfannen brutzeln quasi die Erinnerungen, Geschmäcker, Farben und Geschichten ihrer kleinen und großen Abenteuer, die sie in jede denkbare Ecke der Welt führte. Daraus hervorgegangen sind Kochbücher über die finnische, portugiesische, griechische, indische Küche mit Rezepten aus weiter Ferne. Ihr neuestes Kochbuch mit dem einfachen Titel Tessas Küche setzt diese Tradition fort. Konkret geht es um Die Rezepte einer kulinarischen Weltreisenden, was, im Untertitel angedeutet, in mir eine vage Vorstellung des zu Erwartenden evoziert, kenne ich doch einige ihrer Werke.
In zehn Kapiteln werden Lebensstationen wie auch Reiseerlebnisse abgerufen, die an uns vorbeilaufen wie in einem Film, nur dass die Hauptakteure verschiedene Gerichte sind. Autobiographisches und Essen vermischen sich. Beginnend mit Erinnerungen an früher, lässt sie ihre Kindheit in Südafrika kulinarisch wieder aufleben. Es ist eine Zeitreise mit Rezepten, aus der wir jene Aromen und Geschmäcker destillieren können, die sie prägten. Dazu gehören Ofen-Lammkoteletts mit Zitrone und Oregano, ein Dattel-Aprikosen-Chutney genauso wie die Boereboontjies, ein Bohnen-Kartoffel-Püree mit grünen Bohnen oder Bauernbohnen, wie es auf afrikaans heißt.
Weitere Stationen und damit Kapitel dieses Kochbuchs sind unter anderem geografischen Regionen wie Italien, New Orleans, Mexiko und Thailand zuzuordnen, aber auch ihren sehr persönlichen Vorlieben, die umschreiben Was ich heute gerne koche, Was mir jeden Tag schmeckt, Besondere Schätze oder Wofür mein Herz schlägt. Eine Besonderheit ist das Rosen-Kapitel, einer Liebschaft, der sie treu bleibt, wie auch den Zitronen, die mehr als ein Liebesbekenntnis sind in ihrer Küche.
Einleitend beschreibt sie – Was mich anzieht, bleibt im Grunde gleich: säuerlich, salzig, eimerweise Blattgemüse. Kleine Spritzer intensiver Aromen. Farbe und Saison – all das, durchsetzt von Schnipseln meiner Reisen und unserer täglich wechselnden Bedürfnisse. Kürzer und prägnanter kann man eigentlich nicht zusammenfassen, wovon Tessas Köchelei handelt.
Im Original lautet der Titel ihres Kochbuchs Now & Then, der, wenn er auch nichts mit John Lennons gleichnamigem letzten Lied zu tun hat, dennoch dieses Jetzt und Dann aus dem Lebensreigen Tessas durchscheinen lässt, sowohl in Wort als auch Bild. Ein kleines Kunstwerk, fast barock, präsentiert es sich üppig mit bunten Bilddetails und 150 Rezepten. Englische Keramik-Teller von Aynsley mit Blumenmuster und Silberrand eröffnen die Kapitel, gefolgt von kurzen Gedankenschnippseln bis tagebuchartigen Reflexionen, die uns thematisch hinführen zu den Rezepten, die dann folgen.
In Was ich heute gerne koche stoße ich auf den Blumenkohlsalat mit Basilikum und Parmesan, ein Rohkostgericht, das nicht nur supergesund, sondern auch äußerst schmackhaft ist. Und natürlich ist der vorhin genannte Salat einer von vielen, auf die wir in diesem zweiten Kapitel stoßen. Besonders gut gefallen hat mir der Salat mit Birnen, Nusskernen und Blauschimmelkäse, wobei anstelle eines Roquefort ein Gorgonzola Dolce zum Einsatz kam, also Kuh statt Schaf.
Abschnitt 4 offeriert, dass Tessas New Orleans Tage offensichtlich ausgefüllt waren mit viel Musik und natürlich Südstaaten-Essen, basierend auf Krebsen, Kartoffeln, Zwiebeln, Mais, Knoblauch und Meersalz. Grillfans mögen Gegrillte Austern antörnen, mich faszinierte Frittiertes Buttermilch-Hähnchen, das saftig, zart und knusprig zugleich, mit Okrachoten und Kartoffelpüree ein feines Essen abgibt. Was im Buch wenige Seiten trennt, ist in real der Golf von Mexiko zwischen Lousiana und dem Staat Mexiko. Das Meerbecken will Trump umbenennen in Golf von Amerika. Nur, Trump vergeht, während Limette, Chili und Avocados, die die Kulinarik Mexikos seit Jahrhunderten dominieren, bleiben werden. 15 nationale und 37 regionale Chilisorten gibt es in diesem mittelamerikanischen Land, wobei die vielleicht bekannteste Sorte, die Jalapeno in der klassischen Guacamole, dem Avocado-Dip nicht fehlen darf. Unvorstellbare 400 Avocadosorten weltweit gibt es, viele sind auf Mexikos geschäftigen Märkten erhältlich. Das bürgt für Geschmacksvielfalt und Frische, was die mexikanische Küche ja kennzeichnet. Wer diese nicht kennt, wird sich mit diesem Kapitel vermutlich schwertun. Da werden Saucen wie die Salsa roja oder Salsa verde und andere vorgestellt, ohne sie einzuordnen. Hier wäre eine roter Faden nützlich. Es gibt zwar eine Kapitel-Einführung, aber da geht es mehr um Reise-Erinnerungen, die sich natürlich auch ums Essen drehen. Manchmal gönnten wir uns einen kleinen Imbiss … wie Tacos de barbacoa, Chilaquiles, Molletes und Quesadilla, zu denen es immer Salsa roja und Salsa verde gab. Während die Salsa roja meist mit roten Tomaten gemacht wird, es gibt ja auch grüne, ist die Salsa verde immer eine grüne Sauce, die der Frankfurter Sauce nicht unähnlich ist. Salsas bestehen in ihrer Grundlage immer aus einer Vinaigrette. Während die Salsa roja als Gewürz verwendet wird, serviert man meines Wissens Salsa verde zu warmen, gekochten Fleischgerichten, kaltem Braten, gebratenem Fisch oder Räucherlachs mit Rührei. Tessa bringt Salsa verde zusammen mit Mais-Tortillas und Hähnchen-Tinga-Tacos auf den Tisch. Ein gemeinschaftsförderndes Essen, denn jeder bei Tisch stellt seinen eigenen Taco zusammen. Ein nicht allzu süßer, mit rostfarbenem Karamell überzogener Flan beendet das Mexiko-Kapitel. Kurz und schmerzlos, denn ab nun heißt es: Was mir jeden Tag schmeckt und meint die Küche der Toskana. Oder nein, das was Tessa, die in der Toskana lebt, so alltäglich schmeckt, ein internationaler Potpourri des Geschmacks. Garnelen-Avocado-Reis (244), ein Köfteteller (249-251), Fladenbrote (252), gegrillte Lammkoteletts mit Sumach und Minze-Relish (259) treffen auf Vertreter der Mitte Italiens wie etwa den Mascarponekuchen (264) oder die Zitronentarte (267). Und so, als ob ihr die Zitronen sauer aufstoßen, reist sie wieder weiter, in eine andere Weltgegend, nach Thailand. Dabei ist diese Zitronentarte ein Wahnsinn. Aber so ist sie nun mal, Tessa, die es liebt, mit Rezepten die Welt in ihre Küche zu holen, wird immer wieder aufbrechen zu kulinarisch Neuem.
Am Ende sind es die Rosen, die ihr Herz berühren, sie inspirieren:
Rosen sind rot, Veilchen sind blau, Ich liebe Zitronen. Reispudding und Buryani, genau.
Rosmarin, Rosenapfel, Rosenmilch, Hagebutte, Rosé, Rosa, La Vie en Rose sind die Schlagworte, die sie im zehnten Kapitel zu außergewöhnlichen Rezepturen anregen. Erwähnt seien nur Ashoks Lamm-Biryani mit Rose oder der Rosen-Milchpudding mit Rosensirup. Ein außergewöhnlicher Abschnitt so wie das ganze Buch, was jedoch typisch ist für Tessa Kiros.
Tessas Küche ist ein wuchtiges Farbenspiel, ein Kaleidoskop des Essens. Ihr Kochbuch ist geprägt von Abenteuer und Neugier; ihre Reisebeschreibungen verführen zum Träumen, fast so, als ob man mitreisen würde. Es ist ein Trip mit ansprechenden Rezepten, die funktionieren, die den Gaumen zum Klingen bringen. Mir ist es bspw. so ergangen mit Marios Rotweinrisotto, einem sehr einfachen Gericht und so tollem Geschmackserlebnis. Also Vorsicht beim Nachkochen, denn Sie könnten plötzlich die Hitze Mexiko Citys in den Adern spüren oder überraschend sich vorstellen, wie Sie in Bangkok mit dem Boot über den Fluss Chao Phraya zum Blumenmarkt schippern. Mit Tessas Kochbuch begibt man sich auf eine kulinarische Weltreise. Wem von der Fülle an Rezepten aus Tessas Küche schwindlig wird, dem sei der Wohlfühlrosentee empfohlen, um eins zu werden, mit dem Jetzt, Damals, Immer, den Gesammelten, Gelöffelten, Gewürzten – Erinnerungen der Autorin.