Heute geht es um ein Gute-Laune-Kochbuch.
Tina Nordström, die Autorin und Köchin, ist Schwedin. Sie lacht vom Titelbild, und auch im Innenteil begegnet man ihr häufig; beim Salat waschen, am Strand spazierend, beim Umrühren, beim Abschmecken, beim Pfeffern, über einen Text gebeugt, im Gespräch vertieft, lachend. Immer wieder lachend. Das muss auch sein, denn der Untertitel des Kochbuchs verrät den Beweggrund – hier sind Gute-Laune-Rezepte aus aller Welt zusammengetragen.
Ein ‚dicker Brocken‘ mit himmelblauem Buchrücken und Farbschnitt. D.h., der Buchblock ist in etwas kräftigerem Blau und verstärkt damit unglaublich den äußeren Eindruck des Buches. Irgendwie erinnern mich diese Farben an den schwedischen Kinderfilm „Ferien auf Saltkrokan“, in welchem Himmel und Wasser dominieren.
Eigentlich wollte Tina Nordström Pastorin werden; heute ist sie Starköchin. Ihr ‚jüngstes Baby‘ ein Konvolut von 230 Gute-Laune-Rezepten die leicht nachkochbar sind. Über acht Zugänge, vom Gemüse, über Fisch & Meeresfrüchte bis zu Süßes & Säfte kreierte sie ihre persönliche Rezeptbibel. Und Sie betont ausdrücklich, dass es kein Basiskochbuch ist. Jedes Kapitel wird eingeleitet mit einer Geschichte, einem Ereignis aus ihrem Leben. Bspw., als sie für eine amerikanische Kochsendung einen Fisch fangen musste und keiner anbiss. Oder wie ihr erster Brotbackversuch in einer mittleren Katastrophe endete. Weil sie vergaß den Hefeteig zu salzen, versteckte sie ihn, in einem Plastiksack verpackt, zwischen Pyjamas und T-Shirts der elterlichen Kommode. Die Auswirkungen waren überschwappend. In Summe zeichnen diese Miniepisoden zusammen mit den, den Rezepten vorangestellten Bemerkungen ein kleines Mosaikbild von Tina. Da werden Vergangenheit, Höhen und Tiefen sichtbar, aber auch kochtechnisches fließt in diesem Vorspann ein.
Beeindruckend ist die Vielfalt der Rezepte. Ob Rüblitorte , Focaccia, Libanesische Linsensupppe u.v.a., es ist eine kulinarische Reise durch viele Länder und Kontinente. Einiges ist bekannt manches unbekannt. Aber auch das Bekannte wird von Nordström durch Mengen- und Zutatenänderungen teilweise umgeformt. Bspw. werden von ihr die Äpfel im Waldorfsalat durch Birnen ersetzt. Im Caesar Salad verdreifacht sie den Olivenölanteil von klassisch 5 EL, das sind etwa 50 ml, auf 150 ml. Überhaupt scheint Nordström ein Faible für viel Butter, Olivenöl oder Sahne aber auch Eier zu haben. So ist der Sahneanteil in der Weißen Spargelsuppe mit Salami und Brot mit 300 ml sehr hoch, zudem sie ja auch Wurst und Milch enthält. Auch für die Risotti verwendet sie deutlich mehr Olivenöl als ich es aus der italienischen Küche kenne. Frau Nordström scheint das Deftige zu mögen.
Schade ist, dass die klassische nordische Küche in diesem Kochbuch kaum behandelt wird, und wenn, dann nur andeutungsweise. Eine gewisse Ausnahme bilden die Strömling-Variationen, ob in Senfsauce, gebraten, gebacken oder eingelegt. Diese, wenn auch hinsichtlich Geruch und Geschmack vom Surströmling – der Seele der Schweden – weit entfernt, vermitteln zumindest eine Ahnung nationaler Identität. In gewisser Weise muss man auch die Fleischbällchen-Rezepte und Appetithäppchen, die Tapas, sowie Tacos – sie hören richtig – der jüngeren schwedischen Küche hinzurechnen. Das Grundrezept der Köttbullar, so nennen die Schweden ihre Hackfleischbällchen, sowie diverse Spielarten davon, wie Tinas Fleischbällchen mit Weißkohl oder Wallenbergare mit Butter, Erbsen und Kartoffelbrei und andere finden sich im Mittelteil des Werks. Von den Tex-Mex-Gerichten nimmt Nordström an, dass ein großer schwedischer Lebensmittelkonzern mit seiner Marketingmaschine die Tacos so populär machte, dass die Schweden und Norweger mit dem Pro-Kopf-Verzehr nach den USA und Mexiko an zweiter Stelle liegen. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass Tina Nordström einige raffinierte und wohlschmeckende Tacorezepte zusammengestellt hat.
Gelegentlich tauchen nordische zwischen den vielen eingeführten Gaumenfreuden auf. Etwa die Grünkohlsuppe, der Fischzopf mit Sektsauce wie in den 1980ern, der Auf Birkenholz gegrillte Lachs oder der Schonische Apfelkuchen mit Vanillesauce um ein paar aufzuzählen. Ausprobiert habe ich die Günkohlsuppe, die mit einem 4-Minuten-Ei eine besondere Note bekommt. Auch das Ratatouille mit Ei , ein provenzalisches Gemüsegericht, das mit dem Ei einen nordischen touch bekommt. Der Schonische Apfelkuchen irritierte mit seinem Aussehen, schmeckte aber hervorragend. Interessant und überraschend war die Kartoffel-Pie mit Dill und Kümmelkäse, die ich ihnen am Ende vorstelle. Dieses Gericht lässt m.E. die kulinarische Handschrift Tina Nordströms gut erschmecken.
Das Kochbuch hat einige Stärken. Einmal die breite Palette an Rezepten und durch diese sich ergebende als auch vorgeschlagene Kombinationsmöglichkeiten. Vielen Rezepten sind auch brauchbare Tipps angehängt. Zwischen Kapiteleinleitung und Rezepten sind zusätzlich zwei Seiten mit Tinas Tipps eingefügt, die – mit zartem schulmeisterlichen Hauch – vernünftig sind. Manchmal ‚schweizerln‘ die Rezepte etwas, wenn bspw. vom Stock die Rede ist, dem landläufigen Kartoffelpüree. Zum anderen ist das Layout hervorzuheben. Klar strukturiert, Bild und Text sind gut ausbalanciert. Erfrischend sind die Illustrationen von Stina Wirsen. Mit ihrer Strichführung und den knalligen Farben lockert sie Tinas Kochbuch mehr als nur auf. Eine schöne Rezeptbibel.