Heute reisen wir an einen FLUSS.
An die Donau nach Vilshofen im Landkreis Passau im Südosten Bayerns. Die Donau prägt diesen Landstrich wie auch der Bayerische Wald und die sanften Hügellandschaften südlich des Flusses. In Vilshofen treffen wir Yvonne Bauer, die sich in der Bloggerszene als Fräulein Klein einen Namen machte. Ihre Themen sind Dekorieren, Kochen, Backen, Reisen und Fotografieren. Viele Backrezepte hat sie bisher veröffentlicht, sowohl im Internet als auch in Kochbüchern. Ihr neuestes Werk widmet sie einer altösterreichischen Spezialität, dem König der Kuchen. Gugelhupf, so lautet auch der Titel des Backbuchs, das im Callwey Verlag erschienen ist.
Bauer ist backbegeistert, weil man Torten und Kuchen so schön dekorieren und aus einfachsten Zutaten tolle Sachen zaubern kann, wie sie in einem Interview gestand. Und Gugelhupfbacken ist Backen für die Seele. Der Hofzuckerbäcker Zauner buk ihn allerdings für Katharina Schratt, die ihn ihrem Liebsten zum Frühstück servierte. Und wenn der betagte Kaiser Franz Joseph zur Jagd ging nach dem morgendlichen Rendevous in Schratts Villa, tuschelten die Bad Ischler: „Jetzt hat der Kaiser wieder seinen Gugelhupf verspeist!“ Bei Schratts gab es zwei auf Mürbteig-Backpulver-Basis und einen Germgugelhupf. Aufgrund seiner Leichtigkeit wurde letzterer dem Monarchen zum Frühstück, die anderen zwei wurden zur Jause serviert.
Die schönen Rührmassen, wie wir sie heute verwenden, entstanden im 19. Jh. als erstmals Backpulver verwendet wurde, das für die Lockerheit der Kuchen sorgt. Und so kam in vielen Familien am Sonntag immer Gugelhupf auf den Tisch. Ich erinnere mich auch sehr gut an den ‚Guglhupf‘, die satirische Sonntagssendung in Ö1, die so begann: „Was den Sonntag erst zum Sonntag macht, ist der Guglhupf, der Guglhupf, wie ein rundes G’sicht das so freundlich lacht, ist der Guglhupf …“
Ja, das ist es wohl. Den Gugelhupf kennt jede und jeder. Allein schon wegen seiner so einnehmenden geschwungenen Form mit den Rillen und der kaminartigen Öffnung, wie Bauer im Vorwort schreibt. Aber der traditionelle Gugelhupf aus Hefeteig hat schon längst Verstärkung bekommen durch moderne Varianten aus Rührteig, weshalb man mit dem Wort Gugelhupf heute vielmehr die Form meint. Dennoch beginnt die Autorin wohl in Erinnerung an ihre Oma, mit dem klassischen (Germ)Gugelhupf. Einem „… Kunstwerk aus Teig und Rosinen, jedem Österreicher g’fallt, doch es braucht um ein wenig Geschmack zu gewinnen, ein kleines bißerl Salz …“ bringt es Gerhard Bronner – der das Lied vom Guglhupf schrieb – auf den Punkt.
Und so beginnen wir zu backen: 100 g Rosinen, die wir über Nacht in 5 EL Rum gelegt haben, mischen wir mit 500 g Dinkelmehl Typ 630, 110 g Zucker und Vanillezucker. In der Mitte machen wir eine Mulde, in welcher wir die Hefe, die vorher in Milch aufgelöst wurde, hineingießen. Dann lassen wir diesen Vorteig eine Zeitlang in Ruhe aufgehen. Später kommen noch Zitronenabrieb, Butter, Salz und Eier hinein, alles gut verknetet: dem Teig wird eine Ruhepause verordnet. Nun kann er wachsen. Dann wird der Teig nochmals durchgeknetet, in eine gut befettete Gugelhupfform, die mit Mandelblättchen ausgelegt ist, gefüllt und ab in den Backofen für 40 Minuten bei 180 ℃. Wenn er fertig gebacken ist, soll er 15 Minuten auskühlen, bevor wir ihn aus der Form lösen. Dann mit Puderzucker bestreuen – eine Tasse Kaffee – herrlich. In dieser kurzen Anleitung steckt bereits alles Wesentliche, was man zum Gugelhupfbacken wissen muss.
Im einleitenden Kapitel bereitet die Autorin dieses Grundwissen auf. So erfahren wir, welche Küchenhelfer wir benötigen. Sie beschreibt kurz die wichtigsten Backzutaten, vom Backtriebmittel bis zu den Zitrusfrüchten. Auch lässt sie sich im Abschnitt Backform über die Backabläufe aus, vom Einfetten über das Befüllen, die Garprobe bis zum richtigen Stürzen. Der letzte Punkt gilt der Lagerung. Wussten Sie, dass Gugelhupfe aus Rührteig problemlos bis zu einem halben Jahr eingefroren werden können?
Aber nun geht es los. 50 Rezepte, verteilt auf die Jahreszeiten, die auch die Hauptkapitel sind, machen uns Anwendern die Wahl schwer: Mit welchem Napfkuchen – wie die Deutschen ihn nennen – beginnen wir? Es sind vorwiegend Rührteig-Gugelhupfe und ausschließlich süße.
Interessant, dass Bauer viele dieser Gugelhupf-Varianten selbst entwickelt hat. Im Prinzip hat sie der Basismischung jenes saisonale Angebot an Obst und Gemüse beigemengt das verfügbar ist, und so die verschiedensten Gugelhupfe kreiert. Daher gibt es im Frühling einen Rhabarber- Marzipan-Gugelhupf oder einen Hollunderblüten Gugelhupf. Im Sommer treffen wir den Johannisbeer-Vanille-Gugelhupf sowie Zwetschgen-Gugelhupf. Im Herbst wählen wir zwischen dem Apfel-Zimt-Gugelhupf oder den getränkten Weintrauben-Gugelhupf oder … Und im Winter haben der Bratapfel-Gugelhupf, aber auch der Orangen-Gugelhupf ihren Auftritt. Natürlich gibt es noch viel viel mehr Gugelhupfe, und zwar genauso viele wie es saisonale Angebote gibt an Karotten, Erdbeeren, Kirschen, Aprikosen, Zucchini, Zitronen, Haselnuss, Bananen, Kürbis, Maronen, Rote- Bete, Mandarinen, Chai, Champagner und einiges mehr. Die Inhalte bestimmen fast immer den Namen. Beim Regenbogen-Gugelhupf benötigt man allerdings eine gehörige Portion Phantasie, um draufzukommen, dass für dieses Potpourri verschiedene mit Lebensmittelfarben eingefärbte Gugelhupfteige miteinander vermengt werden.
Schade finde ich, dass keine herzhaften Gugelhupf-Rezepte aufgenommen wurden. Auch fehlt der Blick über den sprichwörtlichen Gugelhupfrand hinaus ins benachbarte Tschechien oder ins österreichische Waldviertel. Dabei lebt die Autorin im Berührungsbereich der böhmischen und österreichischen Mehlspeisenküche. Wenn man über die Grenze schaut, gäbe es bspw. den Patzerl-Gugelhupf zu entdecken, der im nördlichen Oberösterreich sehr beliebt ist. Oder den Erdäpfel-Gugelhupf, der wegen der kalt gepressten Kartoffeln, die am Schluss in den Teig eingerührt werden, angenehm locker und saftig ist. Aus dem böhmischen Raum kommen Gugelhupfrezepte mit Topfen und geraspelten Äpfeln, die deshalb lange saftig und frisch bleiben. Ansatzweise gibt es Anleihen aus dem Grenzraum, wie den Apfel-Zimt-Gugelhupf, um ein Beispiel zu nennen.
Und dann noch eine Anmerkung: Leider behandelt die Autorin Hintergrundfakten sehr sparsam. So hätte sie sich bei den Backzutaten etwas informativer geben können und uns wissen lassen, dass sich glattes Mehl für fettreiche Teige besser eignet. Oder dass man bei der Dosierung mancher Gewürze vorsichtig sein muss, wie den gemahlenen Nelken, die – zu viel eingebracht – ein Zuviel an Schärfe im Gugelhupf hinterlassen.
Aber, und hier muss sich der Rezensent nun selbst zügeln, Yvonne Bauer hat nicht den Anspruch, Rezepte aus allen Weltgegenden zu sammeln und ein Lehrbackbuch für Gugelhupfe zu schreiben. Nein, viele der Rezepte entwickelte sie einfach selbst, um genussvoll durch das Jahr zu führen. Bauers Verdienst steht also außer Frage. Mit dem Gugelhupf Backbuch stellt sie uns eine Vielzahl an Sonntags-Verführungen zur Verfügung. Sowohl indoor als auch outdoor – etwa fürs Picknick mit den Liebsten. Und nicht zu vergessen, das Gugelhupfbacken enthält auch eine soziale Komponente. Welcher Kuchenbäcker bzw. welches Kind und Enkelkind freut sich nicht darauf, die Teigschüssel auszuschlecken?
Mit Gugelhupf hat Yvonne Bauer ein sehr farbenfrohes Backbuch vorgelegt. Man merkt der Autorin am dekorativen Äußeren der Gugelhupf-Variationen die Lust und Freude am Backen an. Entstanden und schön ins Bild gesetzt sind so in eine Vielzahl an Naschwerken, die die Herzen der Schleckermäuler höher schlagen lassen. Gugelhupf, das Backbuch, ist ein Eldorado an klassischen und ausgefallenen Napfkuchen-Rezepten. Mein Sohn Matthias wünscht sich am Sonntag den Tiramisu-Gugelhupf zum Espresso. Na, da habe ich mir was eingegugelhupft, als ich ihm von diesem Backbuch aus dem Callwey Verlag erzählte.