Heute besuchen wir BAYERN.
Dort stehen die Fahnen auf Halbmast: Franz Beckenbauer ist tot! Der Kaiser der deutsch-bayerischen Fußballwelt ist nicht mehr. Einer, der mit Franz Beckenbauer wahrscheinlich zu tun hatte, ist Anton Schmaus. Altersmäßig trennt sie fast 40 Jahre, aber das ist unerheblich, denn das was sie vereint, ist der Fußball. Beide sind Größen am Sternenhimmel, der Ältere als Jahrhundert-Fußballer, Trainer und Manager des FC Bayern München, Anton als Leibkoch der DFB-Elf, der deutschen Nationalmannschaft. Und natürlich ist Antons Lieblingsclub der FC Bayern.
Anton Schmaus, der Koch, gründete in Regensburg das Restaurant ’Storstad’. Mittlerweile lenkt er auch die Geschicke von weiteren drei Lokalitäten. Im bayerischen Wald aufgewachsen, ist er seit Kindheitstagen vom Kochen geprägt. Das elterliche Gasthaus in Viechtach war Spielwiese und traditionelle Verpflichtung, das Vermächtnis fortzusetzen, war doch sein Vater schon Koch in 13. Generation. Omen est Nomen könnte man meinen, denn anders als seine Mitschüler, die nach dem Abitur alle studierten, setzte Schmaus auf eine Kochlehre. Nach der Ausbildung kamen einige Wanderjahre und irgendwann die Rückbesinnung und Heimkehr in heimatliche Gefilde. Selbst auferlegt auch das Ziel, neue Akzente in der bayerischen Gastronomieszene zu setzen. Kochen auf höchstem Niveau. Die Karriere war perfekt, es fehlte nur noch das Kochbuch. Und das ist jetzt da. Anton Schmaus kocht ist im Südwest Verlag erschienen. Er wird Teil einer Reihe über und von Kochpersönlichkeiten, die ihre kulinarischen Vorstellungen so einem breiteren Publikum präsentieren. Andreas Schinharl und auch Anthony Sarpong gehören zu dieser jungen Generation von Köchen, die die deutsche Kochszene neu beleben.
Der Untertitel von Anton Schmaus kocht verheißt eine weltoffene, kraftvolle und bodenständige Küche. Die strebt er mit seinen Rezepten an, wobei weltoffen und bodenständig einen Gegensatz darstellen, hier aber eine Verpflichtung scheinen, wohl um zu beweisen, dass beides nebeneinander existieren kann. Da wird Seezunge ‚Müllerin Art‘, gefüllte Kalbsbrust oder Ochsenschwanzsuppe genauso selbstverständlich serviert wie eine Bouillabaisse, diverse Knäckebrote in schillerndem Rot, Grün und Schwarz wie auch das Rind mit Topinambur & Aprikose, ein Gericht, das orientalische Aromen mitverwaltet.
Aufgebaut ist das Kochbuch nach Lebensstationen. Es beginnt mit Erinnerungen an die Internatsküche. Diesen folgt die berufsbestimmende erste Lehrstelle im Landhaus Feckl im hessischen Ehningen sowie weitere Stationen. Vorwiegend die Wanderjahre, die ihn in die Schweiz, nach Stockholm und New York führten. Dann Rückkehr und Sesshaftwerdung, anthropologisch ausgedrückt. In die jüngste Zeit fällt auch das Bekochen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, ein weiterer Meilenstein eines gastronomischen Höhenflugs.
Die Wurzeln des Schmaus’schen Kochens liegen zum einen im Elternhaus, aber auch in der Internatsküche, Letztere eher negativ prägend, wie man nicht kochen soll. Aber beide sind Ausdruck bayerischer Alltagsküche, was sich in den Rezepten spiegelt. Darin finden sich Sauerbraten & böhmische Knödel, der Pichelsteiner Eintopf, Steinpilze à la Crème oder der Semmelschmarren, der Altbackenes wiederverwertet, das nicht im Schweinetrog landen soll. Diese Rezepte sind traditionell und von Generation zu Generation weitergegeben, nur schöner angerichtet und serviert in edlem Porzellan. Aufwändiger und Zeugnis gebend, dass der Bursche was gelernt hat, wird es ab dem dritten Kapitel. Da kommen wir zum Lehrherrn und die Folgejahre. Beim Sternekoch Franz Fleckl ging dem Jungspund nach dem ersten Lehrjahr bereits ‚der Topf auf‘, erkannte er seine Begabung, übernahm Verantwortung, bewegte sich auf einer nur für ihn sichtbaren Linie mit Auf und Abs. Die Rezepte sind ab hier einmalig, perfekte Inszenierungen als Ausdruck konsequenter Weiterentwicklung. Anton Schmaus versteht Kochen als Prozess, ein Vorwärtsgehen und Weiterbringen.
Aus der Schweiz nimmt der Oberpfälzer bspw. einen japanisch angehauchten Risotto mit. Der Dashi Risotto wird mit Meeresfrüchten und Kombu-Alge verfeinert. Aus Stockholm erreicht uns der Königskrabbentoast, der im Krabbengang uns einige Arbeitsschritte abverlangt, um sich dann als ein kleine Anhäufung kulinarischen Glücksgefühls zu vergegenwärtigen. Antons Weg in die Selbständigkeit beginnt mit der Rückkehr in der Heimat. 2014 wird das ‚Storstad’ eröffnet, in Reminiszenz an Antons Stockholmer Zeit. Das Großstadt-Restaurant in skandinavischem Design mit Fine-Dining-Feeling ist der gehobenen Küche verpflichtet. Hier vereint Schmaus das Internationale mit dem Heimischen. Ob Pork Bun Bürger oder Waller ‚Cispy Pork‘ oder gepickelte Fjordshrimps und Gurke, hier zeigt sich Anton Schmaus kulinarische Umtriebigkeit, die aus vielem schöpft. Vegetarisches wie Zwetschge & Ingwer oder die Linsenköfte sind eher die Ausnahme, aber auch zu finden in diesem Kochbuch. Ein eigenes Kapitel ist dem Essen der deutschen Fußballmannschaft gewidmet, das mit go for goal überschriftet ist. Ein Gericht, das sich zum Frühstück ebenso gut eignet wie mittags oder als spätabendlicher Snack, ist Eggs Benedict. Die Kombination eines weichen Eis mit gekochtem oder rohem Schinken auf knusprigem Brot, überzogen von einem Hauch sämiger Sauce Hollandaise, ist ein Meisterwerk der Kochkunst. Schmaus Kreation weicht vom Klassiker allerdings leicht ab. Der Schinken wird durch eine Avocado-Paste ersetzt und für die Sauce Hollandaise verwendet er Olivenöl statt Butter. Und so entsteht das Egg Benedict. Ebenfalls für die Fussballer kreierte er die Sucuk-Pasta, eine Art Gulasch und Pasta in einem, schmeckt auch ähnlich. In Bulgur mit Tomate & Zucchini finden sich Antons mediterrane Anleihen wieder. Anton Schmaus Stärken liegen eindeutig im Aufgreifen von Altbewährtem, das er zu Neuem weiterentwickelt.
Anton Schmaus kocht ist ein anspruchsvolles Kochbuch, das uns einiges handwerkliches Können abverlangt. Die Rezepte sind eher kurz gefasst, gute Kochkenntnisse fast Voraussetzung. Das Konzept dieses hochwertigen Kochbuchs mit zwei Lesebändchen ist schnörkellos klar. Auffällig schöne Texte abseits der Rezepturen machen das Kochbuch zu einem wahren Lesevergnügen, Jedem Rezept ist eine Doppelseite gewidmet. Den ganzseitigen Food-Fotos – perfekt abgelichtet von David Loftus – stehen die Rezepte gegenüber. Das heißt nicht ganz, denn der Schweinebraten ist leicht unscharf, aber nicht die Hand mit dem Löffel, die gerade braune Sauce auf den Braten träufelt. Ein gewagtes und gelungenes Foto, finde ich. Die Rezepte dürfen auch als Impuls verstanden werden, somit muss das Endprodukt nicht unbedingt so aussehen wie im Buch abgebildet. Wer das verkraftet, wird einiges für sich entdecken und umsetzen.