Arta Ramadani, Halim Meißner, BROT, SALZ UND HERZ

Familienrezepte aus dem Kosovo

Mit Fotos von Halim Meißner und Christina Laurenco
Wieser Verlag, Klagenfurt, 2022, 96 Seiten, 25.— Euro

ISBN 978-3-99029-549-6
Vorgekostet

Heute reisen wir in den KOSOVO. 

Eingezwängt zwischen Albanien, Montenegro, Serbien und Mazedonien, wird dieses fingernagelgroße Land erst mit dem Verfall Jugoslawiens im Westen wahrgenommen. Serbien versuchte unter Slobodan Milosevic, die Region einzubinden unter Berufung auf die geschichtliche Bedeutung für das serbische Nationalbewusstsein, Stichwort Amselfeld, doch das scheiterte. Im Feber 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit, steht seither unter dem Schutz der NATO. Im Kosovo, das Land ist etwas kleiner als Tirol, leben rund 1,8 Millionen Menschen, davon fast 88% Kosovo-Albaner. 

Interessanterweise stammt die Mehrzahl der nach Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgewanderten Albaner aus dem Kosovo. Anders sieht es in Italien aus, da gibt es zwei Einwanderungswellen aus Albanien. Im Mittelalter flohen die Menschen vor den Türkenhorden und ab 1991 mit dem Ende der Hoxha-Diktatur wanderten 100.000 übers Mittelmeer zum Nachbarn, um der Armutsfalle zu entgehen.

Betrachtet man den Kosovo und Albanien aus sozio-kultureller Sicht, so sind viele prägende Einflüsse auch im Bereich der Esskultur erkennbar, die allerdings sehr unterschiedlich sein können. In Albaniens und Nordgriechenlands Küstenbereichen ist die italienische Küche immer stärker spürbar, während im Landesinnern und im Kosovo sich vor allem die osmanisch geprägte Küche gehalten hat. Wie aber sieht es mit der Esskultur im Kosovo wirklich aus? Dieser Frage sind Arta Ramadani und Halim Meißner nachgegangen und haben dazu das Kochbuch BROT, SALZ UND HERZ im Wieser Verlag herausgebracht.

Die Kosovarin Ramadani ist in Pristina geboren und arbeitet als Fernsehjournalistin und Buchautorin. Ihr Schwager Meißner ist Brandenburger und Koch. Beide verbindet Essen und der Wunsch sich mit der Küche Kosovos auseinanderzusetzen. Auslöser ist eine Rezeptesammlung von Artas Mutter. Sie übernahm die alten Familienrezpte von ihrer Mutter und Schwiegermutter und schrieb sie auf, bevor sie 1994 nach Mannheim auswanderte. Dann wurden sie vergessen und nur an Feier- und Festtagen wie Weihnachten oder Ostern wurden traditionell albanisch-kosovarische Leckereien auf den Tisch gestellt. Mitten im zweiten Lockdown der Corona-Pandemie kam die  Rezeptesammlung wieder zum Vorschein und die Neugier schlug zu. Arta und Halim studierten die Rezepte und kochten einige nach. Die kosovarischen Familienrezepte wurden aus dem Dornröschenschlaf erweckt und in ein Buch gegossen, um Interessierten eine weitere Seite der Balkanküche zu offenbaren. Die einzige Bedingung ist, es wird vegetarisch bzw. vegan – also fleischlos – gekocht. Das hat mit Halim dem Koch zu tun der diesen Küchenstil praktiziert, was sich auch in  den Zutaten ausdrückt. Die Rezepte sind abgestimmt auf Bio-Produkte und saisonales Gemüse bzw. Obst. Weizenmehl wird durch Dinkelmehl und Kuhmilch durch Hafermilch ersetzt. Damit ist klar, was hier zu erwarten ist. Auch, dass wir es nicht mehr mit einer originär kosovarischen Küche zu tun haben, sondern eine der Zeit und kulinarischen Strömungen angepassten. Das heißt aber nicht, dass das schlecht ist. Im Gegenteil.

Der Titel BROT, SALZ UND HERZ ist eine Anspielung auf die Gastfreundschaft der Albaner, die selbst in harten und schlimmen Zeiten das Essen mit Fremden und Notleidenden teilen. Das kann ein Bohneneintopf sein oder eine Pita mit Weißkohl oder Gurabia, das ist ein Gebäck mit Hüttenkäse oder Marmelade. Insgesamt werden 16 Rezepte vorgestellt und diese von Arta auch in ihrer gesellschaftlichen und historischen Bedeutung beschrieben. So erfährt man, dass Bath, ein albanischer Bohneneintopf mit Äpfeln und Zwiebeln zum Standardrepertoir albanischer Familienrezepte gehört und in Deutschland vielfach als Serbische Bohnensuppe aufgetischt wird. Eine Speise, die vor allem unter deutschen Studenten sehr beliebt ist und früher gerne in Kneipen und Kantinen angeboten wurde. Halims Rezept weicht vom Standard insofern ab, als er statt dem üblichen Rinder-Dörrfleisch, bekannt als Pasterma, eben Kichererbsen und Äpfel verwendet.

Kacamak, der Maisbrei mit Parmesan und Pilzragout, erinnert mich natürlich an Italien und ist ein herrliches Herbstgericht, das sehr schnell zubereitet werden kann. Letzteres hängt davon ab, wie man den Polenta zubereitet.

Spannend wird es, wenn es um Krelan geht. Das ist eine Quiche, die mit Maismehl gemacht wird – für mich so eine neue Erfahrung. Eine weitere Besonderheit sind die Brennnesseln, die, in unseren Breitengraden nicht diese Aufmerksamkeit haben wie im Kosovo, so scheints. Das ist schade, denn die Brennnessel ist ein sehr gesundes Gemüse und zudem kostenlos. Beim Brennnesselpflücken bin ich auch emigrierten Frauen aus dem Kosovo begegnet, die mir von der Bedeutung dieser Pflanze in ihrer Kultur erzählten, nämlich auch als Heilpflanze. Jedenfalls hat mich Krelan so fasziniert, dass ich mit anderen Füllungen wie Spinat und Lauch ein wenig experimentierte, und zur Erkenntnis kam, dass das Aroma der Wildpflanze gegenüber dem der Kulturpflanzen mir mehr zusagte. Das Klauben und Verarbeiten der Brennnesseln ist allerdings sehr zeitaufwändig.

Weitere Gerichte sind Pettla, frittierte Teigstücke oder Lakror, ein Kohlkuchen oder Fli, die wohl berühmteste Speise der Albaner. Dieser Kuchen der Sonne stammt von den Vorfahren ab, den Illyrern, und war wahrscheinlich auch eine Opfergabe. Aber wie auch immer, Fli ist wirklich eine kulinarische Erleuchtung und schon die Zubereitung fordert Muße und Geduld. Und original zubereitet wird diese Art Pfannkuchen in einem Tepsi genannten Pfanne, die mit einem Topfdeckel abgedeckt wird der mit heißer Glut bedeckt ist. Also Hitze von oben und unten. Dieses Gericht kann man zwar nachkochen aber so schmecken wie im Ursprungsland wird es nicht, das ist meine Erfahrung. Und für die, die es noch nicht kennen, ist es allemal eine wunderbare neue kulinarische Erfahrung.

Mit Pogaqe kommen die Brotfans auf ihre Kosten. Dieses Fladenbrot wird mit Joghurt und Natron gebacken und erinnert irgendwie an das irische Soda Bread.

Eine meiner Lieblingsgebäcke ist Kifle, das sind gefüllte Hörnchen, die auf dem ganzen Balkan mit unterschiedlichsten Füllungen angeboten werden. Halims Kifle wird mit Dinkelmehl gemacht und dann mit Hagebuttenmarmelade gefüllt. Schade, dass er nicht verrät, wie er Hagebutten zu Marmelade verarbeitet.

Das letzte Rezept gebührt einem Immigranten oder Emigranten, denn diese Frage kann nicht geklärt werden: Ob Trilece, der milchgetränkte Kuchen in Albanien erfunden wurde oder aus Lateinamerika oder Portugal eingewandert ist. Das kann niemand genau sagen. Jedenfalls hat er Kultstatus und ist ein gebührender Abschluss für den Rezeptteil. Denn es folgen noch zwei Beiträge. Im ersten beantwortet Halim Meißner 10 Fragen zur Kosovoküche und im zweiten wird die Bedeutung der albanischen Frau durchleuchtet; ein aktueller gesellschaftspolitischer Beitrag. Am Schluss aber steht, auch metaphorisch zu verstehen, die Brennnessel abgebildet für die Schönheit des Kosovo und die Vielfalt der kosovarischen Küche. 

BROT, SALZ UND HERZ von Arta Ramadani und Halim Meißner ist ein kleines Meisterwerk der einfachen Balkanküche, die im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident steht. Dass mit den Rezepten stärker der Osten bedient wird, hängt mit der Auswahl und dem Rezeptheft von Artas Großmutter zusammen. Andererseits wurden die Rezepturen ein wenig den westlichen Gaumen angepasst. So gesehen, eine win win-Geschichte für uns Mitteleuropäer wie auch für die Kosovaren. Wer sich auf Halims Kosovoküche einlässt, wird begeistert sein.