Heute reisen wir nach SRI LANKA.
Auf eine Insel, die einem Pantoffeltierchen ähnelt, das, so scheint es, an der Südspitze Indiens andocken möchte. Die geographische Nähe zu Indien beeinflusst das Inselleben seit Jahrtausenden. Das beginnt mit der Besiedelung durch die Tamilen und Singhalesen, die fast gleichzeitig von Indien kommend die Insel bevölkerten. Mit im Gepäck hatten sie ihre hinduistische und buddhistische Religion. Sichtbar heute in den unzähligen Pagoden, Tempelanlagen und religiösen Umzügen wie etwa dem Hera Hera Fest, wo der Eckzahn Buddhas herumgetragen wird. Ein farbenprächtiges Schauspiel für Touristen und Einheimische, das einem Bollywoodspektakel zur Ehre gereicht. Aber es ist auch der Beginn der Regenzeit und der bringt den Segen zurück. Den braucht die Insel, die erst vor wenigen Jahren einen drei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg beendete. Und wenn vielen noch das Lächeln schwerfällt, Sri Lanka ist die Insel der Hoffnung. Ihr Name aus dem Singhalesischen bedeutet ehrenwerte Insel, ihr touristisches Aushängeschild sind Kultur und Tradition. Unzählig sind auch die Einflüsse aus anderen Kulturen, die die Insel als Händler oder Eroberer besuchten. Inder, Malaien, Chinesen, Portugiesen, Holländer und Engländer ließen sich nieder und verschmolzen mit der einheimischen Bevölkerung. Die Spuren finden sich vor allem in der Küche wieder. Ein Spurensucher dieser Melting Pott- oder ceylonesischen bzw. singhalesischen Küche ist Bree Hutchins. Ein Australier, der für ein Projekt einer Wohltätigkeitsstiftung auf die Insel kam und von der Gastfreundschaft und vom Essen fasziniert war. Er blieb ein Jahr länger, reiste in die entlegensten Gebiete, schloss viele Freundschaften und lernte so eine der genussreichsten Esskulturen kennen, was sich in einem Kochbuch niederschlug. Sri Lanka – Das Kochbuch ist im Christian Verlag erschienen.
Es ist eine Sammlung von Geschichten und 60 originalen Rezepten aus der Küche Ceylons, mit ausführlichem Glossar und Register. Die vier Kapitel orientieren sich an der Geographie der Insel. In diese eingebettet sind Begegnungen mit Menschen, die der Autor authentischen präsentiert. Da ist William, ein wettergegerbter Mitsechziger, der gekonnt das Tablett mit gefüllten Teegläsern durch die Menschenmassen des Manning Markt in Pettah jongliert. Sein Markenzeichen ist Milchtee, ein erfrischendes Getränk, für dessen Zubereitung er um 3 Uhr früh aufstehen muss. Und da ist Fakhir, ein 17jähriger Muslim, der jüngere Schüler in Naturwissenschaften unterrichtet und sich gleichzeitig auf die Maturaprüfung vorbereitet. Seine Mutter kocht immer am Freitag Biryani, entweder mit Huhn (Chicken-Biryani) oder Hammelfleisch, das traditionell nach dem Mittagsgebet gegessen wird. Da ist auch Samantha, ein Exhäftling, der im Gefängnis schneidern lernte und nun eine kleine Werkstatt betreibt. In seinem Haus duftet es nach Orangen und Ananas. Manchmal hört man die Senfsamen, die Naleenka seine Frau auf offenem Feuer röstet, wenn sie durch die Hitze aufspringen. Sie sind die Grundlage für das Ananas-Curry, das mit Kurkuma, Kokosmilch und Pfeffer sowie Salz eine sensationelle Kombination ergibt. Ich war auch skeptisch, aber ich wurde, wie auch Bree, eines Besseren belehrt. Da ist weiters Sumith aus Monaragala, der das süße Leben schätzt. Aber nicht so, wie Sie gleich denken. Er betreibt eine Fabrik, in der große Kessel über Holzfeuer hängen. Darin wird Milch mit Zucker gekocht. Daneben werden auf großen Holztischen große Teigmengen mit Flaschen ausgerollt, dann zu kleinen Sichelmonden ausgestochen und in Woks frittiert. Fertig sind die Chili Bites, Snacks mit hohem Suchtfaktor. Aber es sind Sumiths Milchtoffees, die es mir angetan haben. Nicht nur wir Europäer lieben Süßigkeiten. Milchtoffees sind in Sri Lanka sehr beliebt und wohl auch aus der Berührung mit den Portugiesen heraus entstanden. Jedenfalls ist es unmöglich, weniger als zwei Stück davon zu essen, und die Zubereitung ist einfach: Einen Liter Vollmilch mit 600 g Zucker 30-40 Minuten köcheln lassen, bis sie eindickt und zu karamellisieren beginnt. Dann noch 10-15 Minuten weiter köcheln lassen und dabei das Rühren nicht vergessen. Am Schluss noch etwas Vanilleextrakt einrühren, die Masse auf ein Backblech mit Backpapier gießen, abkühlen lassen und wenn es noch biegsam ist, in 3 cm große Quadrate schneiden.
Wir begegnen Mary, einer Teepflückerin, die Bree zum Mittagessen einlädt. Es gibt Spinat mit Dal und dazu Pol Roti, ein Fladenbrot der etwas dickeren Art. Auf Sri Lanka ist der Spinat dickblättriger als bei uns und wird eleigova genannt. Aber der Geschmack ist ähnlich, wenn er frisch geerntet vom Garten kommt, dezent und leicht erdig. Das Rezept für das Spinatgericht zusammen mit dem Fladenbrot erfahren Sie dann später. Diese Kombination ist ein typisches Arbeiteressen auf der Insel, das gerne zwischendurch genossen wird in einer von Reis und Curry dominierten Kochwelt. Die ausgeprägteste Küche Sri Lankas findet man auf Jaffna, der Halbinsel im Norden. Sie ist bekannt für scharfe Speisen und die Verwendung von frischen Meeresfrüchten. Dort begegnen wir Bamini, einer jungen Frau mit drei Kindern. Einer Kämpferin, die sich vom Bürgerkrieg, der im Norden am heftigsten ausgetragen wurde, nicht unterkriegen ließ. Sie strahlt Wärme und Entschlossenheit aus. Berühmt ist sie für ihre pikanten Pfannkuchen, die thosai, aus fermentiertem Teig mit gemahlenem Reis und Urdbohnen hergestellt. Auch gab sie ihr Rezept für geröstetes Currypulver preis, das, einmal zubereitet, aus der eigenen Küche nicht mehr wegzudenken ist. In diesem Nord-Abschnitt wird die ceylonesische Küche noch eine Spur exotischer. Da werden Bärenkrebse, in der Sprache der Einheimischen Dubbi Nandu, als Snacks zubereitet; der gebratene Trockenfisch ein Überbleibsel der Portugiesen, wird in kleinen Schüsseln zu frittierten Schalotten und Chilischoten serviert. Die Curd-Chilis räumen mit dem Klischee auf, Chili ist gleich feurig-heiß. Diese Knabber- Chilis sind knusprig, salzig und leicht zuzubereiten; frittiert auf offenem Feuer, erhalten sie noch eine rauchige Note. Das Krabben-Curry ist eine sehr lokale Angelegenheit, während das Sambar ein Linseneintopf mit Idli (= Pfannkuchen) serviert, die indische Herkunft nicht verleugnen kann.
Manche behaupten, dass die Küche Sri Lankas Essen für die Seele produziert. Das stimmt in jeder Hinsicht, denn nach jedem nachgekochten Essen aus diesem Kochbuch fühlte ich mich mehr als wohl. Und meinen Gästen ging es genau so. In der Esskultur Sri Lankas steckt die Erfahrung der Welt, so mein Eindruck. Wer sich auf Neues, Exotisches einlassen möchte, wer seine indisch-portugiesischen Kocherfahrungen erweitern möchte, wer seine Klischees von Curry und Schärfe, die ja auch bei einigen Rezepten zutreffen, revidieren will, der wird in Sri Lanka – Das Kochbuch von Bree Hutchins fündig.
Es ist ein tolles, inspirierendes, schön bebildertes Kochbuch mit berührenden Geschichten von Menschen aus Vorderasien.