Parvin Razavi, TEHERAN – Die Kultrezepte

Fotos von Arnold Pöschl und Gersin Livia Paya
Christian Verlag, München, 2018, 272 Seiten, Leseband, 30.80 Euro
ISBN 978-3-95961-115-2
Vorgekostet

Heute reisen wir nach TEHERAN.

Wer sich mit Teheran und dem Iran auseinandersetzt, wird zuerst – es gibt natürlich auch Ausnahmen – an politische Ereignisse denken, die die Welt mit diesem Land verbinden: Die Reise Schah Pahlavis nach Deutschland und die dadurch ausgelösten Studentenunruhen, die Rückkehr Chomeinis aus dem Pariser Exil und seine Machtübernahme, die Persien in eine islamische Republik verwandelte, das Atomabkommen und natürlich Präsident Trump, der mit der Ankündigung schärferer Wirtschaftssanktionen polarisiert. Wer ein wenig hinter diese Nebelwand von Hasstiraden und Vorurteilen blicken will, sollte sich Filme anschauen, wie Persepolis oder Eine Trennung oder Taxi Teheran. Filme, die uns dieses vorderasiatische Land differenzierter sehen lassen. Und wenn wir mit Regisseur Panahi in seinem Taxi durch Teheran fahren, dann bekommen wir über die Fahrgäste und ihre Gespräche mit dem Taxler ein wenig vom Alltag in dieser Stadt und den Problemen der dort Lebenden mit. Teheran ist laut, pulsierend und voller Menschen. Das erlebte auch Parvin Razavi, die etwa zur selben Zeit, als Taxi Teheran gedreht wurde (2015), erstmals nach 20 Jahren wieder ihre Heimatstadt besuchte. Anlass war eine Schatzsuche der besonderen Art. Parvin, die Wahlwienerin ist leidenschaftliche Köchin und überzeugte Perserin. Das drückt sich im persichen Gen der Gastfreundschaft aus, fürs leibliche Wohl der Gäste zu sorgen, sie mit wohlduftenden Speisen zu verführen. Razavi nimmt uns also mit nach Teheran, auf Märkte und Basare, in Restaurants und zu Gastfamilien, wo wir einen Blick in die Küchen werfen dürfen, in denen jene wohlgehüteten Schätze persischer Speisen vor sich hin köcheln, die die Frauen von Generation zu Generation weitergeben. Einige dieser familiären Kochgeheimnisse werden nun gelüftet, das verspricht uns Parvin Razavi im Vorwort von TEHERAN – Die Kultrezepte, das im Christian Verlag nun erschienen ist. Wir werden die Autorin wegen Geheimnisverrats natürlich nicht verurteilen und von der Annahme ausgehen, dass die Rezepte freiwillig preisgegeben wurden, wohl auch mit dem Anspruch eines Kulturauftrags, die persische Küche dem Abendland näher zu bringen. In sechs Kapiteln, quasi dem Tagesverlauf folgend, erkunden wir die Millionenstadt Teheran und orientieren uns an den Zeiten, was zum Frühstück, zu Mittag und am Abend gegessen wird. Dazu gibt es noch Extras wie die Beilagen, Nachspeisen und Getränke, die also eigens vorgestellt werden. Ein architektonisches Merkmal islamischer Kulturen sind bunte Wandfliesen innerhalb und außerhalb von Gebäuden, die Darstellungen von Ornamentik über Blumen bis zu Landschaften zeigen aber niemals Menschen. Detailfotos von verfliesten Wänden, mit Jahrhunderte alten Kacheln höchster Keramikkunst, sind der Einstieg in die einzelnen Kapitel. Innerhalb dieser gibt es noch Unterkapitel, die uns spezielle Zugänge eröffnen. So zu Sangak, dem persischen Steinbrot, zum großen Bazar-e Bozorg, zum Tajrich Platz, zu Restaurants oder zu Personen wie Akbar Mashti, der das weltweit bekannte Bastani-e Soltani, eine verboten gute Eisspeise, erfand. Ein Blick ins Ladan aber, in Teheran das, was der Demel in Wien ist, macht uns den Mund wässrig und offenbart iranische Patisserie-Kunst auf höchstem Niveau. Es sind die farbenfrohen Fotos von Gersin Livia Paya, die uns Teheran und ihre Bewohner näher bringen. Aufnahmen, die von einem gebührenden Respekt zum Objekt zeugen und uns diese Stadt auf Augenhöhe sehen lassen. Noch näher kommen wir der persischen Kultur über Razavis Einstellung: Essen verbindet und Kochen ist Liebe!

Beim ersten Durchblättern fallen bereits einige kulinarische Eigenheiten auf. Auf Schlagworte reduziert: Quitten, Granatapfel, Reisvariationen ohne Zahl, Schmorgerichte, Eierspeisen, Joghurt und Dips, sauer Eingelegtes und erstaunlich ist die Vielzahl der Möglichkeiten, uns mit ihnen glücklich zu machen. Fangen wir beim Frühstück an: Sie haben die Qual der Wahl, ob Sie Halim, das orientalische Porridge mit Hühnerfleisch oder eine Eierspeise mit Datteln und Walnüssen oder klassisch Brot auftischen und dazu eine Karotten-Orangen- oder Quitten- Marmelade servieren. Warum die Autorin kein Brotrezept aufgenommen hat, ist nicht ganz nachvollziehbar. In Persien wird zu allen Gelegenheiten gerne das Nan-Barbari, ein dickes, mit Kreuzkümmel und Sesam bestreutes Fladenbrot gegessen. Aber auch mit heimischem Weißbrot schmeckt die Karotten-Orangen-Marmelade himmlisch. Im wahrsten Wortsinn, denn ich konnte mich des hymnischen Lobes der Theaterspieler, die zu Gast bei uns zum Frühstück diese Marmelade kosteten, nicht entziehen. Mich erstaunte daher nicht, dass einige sich zum Abschied ein Gläschen von dieser Köstlichkeit wünschten. Nun ist sie aufgebraucht und ich habe die Orangen schon besorgt, für eine neue Ladung Karotten-Orangen-Marmelade.

Was mir an der persischen Küche immer gefiel, ist die Kombination von Reis und Schmorgerichten. Da ist die Nähe zum indischen Subkontinent augenscheinlich. Ob zum Walnuss-Granatapfel-Eintopf oder zum persischen Schmorgericht aus Kräutern mit roten Bohnen, weißer Reis ist die ideale Beilage, mit Butter oder Safran. Reis nimmt in Persien fast schon eine Sonderstellung ein. Denn es ist unglaublich, wie kulinarisch formbar dieses Korn sein kann. Unzählige Beispiele im Buch beweisen es, wovon drei hier genannt seien: Der Juwelenreis ist eine Farbexplosion und voll von Nüssen, Berberitzen, Orangen und weiteren Gewürzen, der Reis mit Dill und Saubohnen verblüfft ob der Einfachheit und seines unbeschreiblichen Geschmacks, am meisten aber faszinierten mich die Reisknödel gefüllt mit Pflaumen, die eine Kaskade an Aromen freisetzten.

Abends, wenn kein Besuch erwartet wird, essen die Iraner gerne eher einfache Gerichte wie dicke Suppen, kalte Laibchen mit Salat, aber auch Frittata in allen erdenklichen Formen. Der Zucchinifrittata kam ich nicht aus. Sie schmeckte wunderbar, und wurde auch schon einem Besuch aufgetischt, dem sie hervorragend mundete und der unbedingt das Rezept haben wollte. Da ich von den ZuhörerInnen das gleiche erwarte, wird es am Ende verraten. Übrigens lässt sich mit dieser Frittata wunderbar experimentieren. Ich habe in die Zucchinifrittata schon Karfiol aber auch Sellerie und Süßkartoffeln verarbeitet. Ein Ende der Experimente ist nicht in Sicht.

Mein Glück vor einigen Tagen war der Geburtstag einer lieben Freundin, der ich einen Geburtstagskuchen backte. Einen Safrankuchen mit Pistazien. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre leer ausgegangen. Innerhalb von 20 Minuten war der wunderbar safrangelbe Kuchen verputzt. Ein einfacher Kuchen von feiner Geschmacksentfaltung, der es in meine Liste guter Mitbringsel schaffte.

Im Getränkekapitel fiel mir Sekangabin auf, ein Essiggetränk, das schon im alten Persien getrunken wurde. Leicht und schnell herzustellen, entpuppte sich dieses Getränk als idealer Durstlöscher für heiße Tage. Damit hat der Holundersirup ernsthafte Konkurrenz bekommen.

Teheran – Die Kultrezepte von Parvin Razavi ist eine Überraschung in zweierlei Hinsicht. Zum Einen ist es die Fülle an einfachen Rezepten, d.h. nicht, dass sie nicht auch zeitaufwändig sein können, die ein unheimlich reichhaltiges Potenzial an würzigen Aromen enthalten. Zum Anderen ist es der Impuls, der Teil dieser Kochkultur ist, Freunde und Gäste am Genuss teilhaben zu lassen. Und dieses Kochbuch enthält rund 100 Gerichte, die unsere Vorstellung vom Morgenland um wunderbare Düfte und Geschmacksnoten erweitern und großartig schmecken.

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