Christina Mouratoglou, Adrien Carré, Die neue griechische Küche

frisch - leicht - authentisch

Fotos von Nicolas Buisson
Aus dem Englischen übersetzt von Natascha Afanassjew
Dorling Kindersley Verlag, München, 2019, 288 Seiten, 25,70 Euro
ISBN 978-3-8310-3644-8
Vorgekostet

Heute reisen wir nach GRIECHENLAND.

Im Juni 2012 geht im Londoner Stadtteil Notting Hill eine neue, eine griechische Sonne auf. Das Mazi öffnet seine Türen und ließ Gourmets ein, die die klassische griechische Küche mit all ihren modernen Neuinterpretationen schätzen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine gute Adresse in Englands Metropole, die der neuen griechischen Küche gerecht geworden wäre. Das behaupten Christina und Adrien. Sie ist Theassalonikerin und er Franzose, die sich in London kennen gelernt haben und eines verbindet: gutes Essen – vor allem griechisches. Beide sind Quereinsteiger, haben in London studiert und immer schon den Wunsch gehabt, sich mit einem eigenen Restaurant zu verwirklichen. London ist auch ein ideales Pflaster, denn nirgendwo sonst auf der Welt wird der Kulinarik so gehuldigt, werden gastrosophische Trends kreiert wie eben dort. Mit der Übernahme der ehemaligen Taverne Costas Grill wird ein Traum verwirklicht. Das Restaurant mit seinem weinbewachsenen Garten verströmt griechischen Charme und lässt in den Weinkelchen, im Samos, Retsina und Demestica die griechische Sonne aufblitzen. Das Mazi will Menschen zusammenbringen, denn im Wort steckt das gemeiname, verweist so auch auf die Tradition des Teilens. Aber Christina Mouratoglou und Adrien Carré wollen mehr. Sie wollen uns verführen und mit ihren Gerichten in die wunderbare Welt des östlichen Mittelmeeres entführen. Und damit wir nicht jedesmal nach London oder Thessaloniki fliegen müssen, um diese neuen griechischen Geschmackserlebnisse zu genießen haben Christina und Adrien ein Kochbuch geschrieben. Die neue griechische Küche ist im Dorling Kindersley Verlag erschienen.

Der Anspruch der beiden Autoren ist, nicht eine einzelne Region vorzustellen, sondern die Genüsse des ganzen Landes zu präsentieren und darüber hinaus noch Eigenes. In acht Kapiteln werden Rezepte einer frischen, leichten, authentischen neuen griechischen Küche vorgestellt, deren Wurzeln die unterschiedlichsten Kulturen spiegeln. In den Speisen finden sich Spuren aus osmanischen Herrschaftszeiten genauso wie venezianische oder lokale Einflüsse, die geprägt sind von religiösen und staatstragenden Festen. Aber, und das muss vorab betont werden, Christina und Adrien bedienen auch die experimentelle Seite, lassen ihren Spieltrieb im Umgang mit Zutaten und Texturen freien Lauf, wie das Souvlaki oder der Melomakarona Kuchen mit Schokoladenganache beweisen.

Der Reigen der Rezepturen wird eröffnet mit so genannten ‚Appetit-Schlückchen‘ als Vorstufe zum Amuse-Gueule, den Appetitanregern. Diese ‚Schlückchen‘ versinnbildlichen gleichzeitig die vier Jahreszeiten, variieren also je nach Jahreszeit und Tagessituation. Genehmigt habe ich mir einen Cocktail aus Winterorange mit Gewürzen, der mit Branntwein aufmunitioniert seiner vorbeugenden Wirkung durchaus gerecht wurde; ich bekam keine Erkältung und die einverleibten Mengen waren wohldosiert. Jedenfalls ist es eine gute Idee, gelegentlich mal ein Essen mit einem Amuse-Shot zu beginnen.

Einen wesentlichen – Christina behauptet gar unverzichtbaren – Anteil in der griechischen Küche ist das Brot bei kleinen und großen Mahlzeiten. Nachdem im Mazi jeden Tag frisch gebacken wird, kommen wir einer Auswahl an Brotrezepten nicht aus. Das ist gut so, denn nichts ist herrlicher als der vereinnehmende Duft frischen Brotes. Christina lässt es sich auch nicht nehmen uns in die Geheimnisse des Koulouria einzuführen, einem Sesamkringel, der in der gesamten Levantine auf den Straßen angeboten wird und dem schon die Osmanen sehr zugetan waren. Sie erinnern an Bagels und die Verwandtschaft scheint unbestritten. In diesem zweiten Kapitel geht es nicht nur um Brot allein, sondern wird auch Pikantes aufgetischt. Ladenia, eine Brotspezialität mit Pizzacharakter, wird mit Kalamata-Oliven und reifen Tomaten belegt und kaum dass sie aus dem Ofen kommt, mit Oregano gewürzt. Allein wie das duftet und dazu ein Glas Rezina, herrlich! In diesem Kapitel finden sich einige Feinheiten wie das mit Käse gefüllte Tiropsomo oder das Peinirli, einem einem Schiff ähnelnden Gebäck, das mittig ein Ei platziert, das wohl dem Kapitän entspricht, der seinem Schicksal nie auskommt, immer samt Brotschiff in der „Magensee“ versenkt zu werden.

Mezedes bilden in Griechenland immer den Auftakt eines Essens. Also Vorspeisen die – kalt oder warm – von Brot begleitet werden und dazu gibt es eisgekühlten Ouzo. Die Vorspeisen können, wie hier vorgeschlagen, etwas extravaganter in Einmachgläsern serviert werden. Der russische Salat oder die Skordalia mit Walnüssen schmecken so noch besser, als sie es ohnehin schon tun. Uns haben die Rote-Bete-Würfel mit griechischem Joghurt, Limette und Walnüssen so gut gemundet, dass wir diese einfache Vorspeise anlässlich zweier weiterer Besuche nochmals angeboten haben. Dieses Essen ist mit dem 10-prozentigen Joghurt sehr sättigend, sodass wir ein wenig experimentierten und das griechische mit dem weniger prozentigen heimischen Produkt gestreckt haben. Auch das war sehr gut und es ist niemandem aufgefallen, dass es hier zu einer bilateralen Beziehung kam. Salate und Rohes gehören eigentlich auch zu den Vorspeisen, ihnen aber widmet das Duo ein eigenes Kapitel. Griechenlandurlauber können mit diesen Rezepten ihre Gaumenerinnerungen wieder auffrischen. Nicht nur nahrhaft, sondern auch angelehnt an die griechischen Gerichte zur Fastenzeit, kann der Augenbohnensalat als eigenständiges Gericht serviert werden oder zu gegrillten Calamari oder Tintenfisch.

Besonders angetan waren nicht nur wir, sondern auch unsere Gäste, als Gemista  im dampfenden Bräter auf dem Tisch stand. Das Mazi-Team kredenzt ihren Gästen die farbenfrohen gefüllten Paprika und Melanzani vorwiegend im Sommer. Nachdem es aber Paprika und Melanzani mittlerweile zu jeder Jahreszeit gibt, stand diesem Gericht nichts mehr im Wege, und unsere mit Rindfleisch gefüllten Farbbomben lösten bei unseren Gästen an die Kindheit erinnernde Glücksmomente aus. Und alle erzählten dann vom Essen aus Kindertagen. Die warmen Kirschtomaten mit Ziegenkäse und Thymianöl lösten weniger Begeisterung aus, wahrscheinlich, weil der Anteil des Olivenöls mit 400 ml sehr hoch ist. Dieses Rezept muss ich noch einmal ausprobieren und mit den Mengenverhältnissen experimentieren, denn die Idee, Tomaten und Ziegenkäse mit Kapern zu kombinieren, ist ein aromatischer Hochseilakt.

Nach dem warmen Gerichten Kapitel werden Klassiker teils neu interpretiert, und vor dem abschließenden Cocktail-Kapitel freuen wir uns über einige spannende Desserts. Hier war ich dann schon sehr neugierig auf die Trigonas, eine Spezialität aus Thessaloniki. Dort, auf der Gounaristraße stehen die Leute Schlange vor der Hausnummer 13, wo die Konditorei Elenedi ihre süßen Verführer verkauft. Christina und Adrien verwenden für die Trigona Filoteig, im Original werden sie mit Blätterteig herausgebacken. Mit Filoteig sind sie einfacher herzustellen, wenn sie auch schwerer die Hörnchenform bewahren. Denn entscheidend ist die Vanillecreme! Aber Vorsicht: Wenn man von der Creme anfängt zu naschen, kann man nur schwer aufhören.

Die neue griechische Küche von Christina Mouratoglou und Adrien Carré verspricht im Untertitel frisch, leicht und authentisch zu sein. Sie hält das weitestgehend ein. Hervorragende Landschafts- und Rezeptaufnahmen geben dem Kochbuch eine zusätzliche Note von Unbeschwertheit und lassen Vorfreude aufkommen. Jedenfalls kreieren die beiden eine excellente griechische Küche, die uns mit jedem Bissen Griechenland erleben lässt.