Claudio Del Principe, a casa

Gut kochen. Besser essen. Jeden Tag. Ein sinnliches Kochtagebuch mit 200 italienisch inspirierten Rezepten

at Verlag, Aarau - München, 2017, 320 Seiten, 41.10 Euro
ISBN 978-3-03800-970-2
Vorgekostet

Heute reisen wir in die Schweiz.

Zu einem Mann, dem der Gourmetkritiker Christian Seiler im Vorwort des vorliegenden Kochbuchs einen gewissen Hang zum Dandyismus unterstellt und dies im nächsten Halbsatz wieder entkräftet. Ob Seiler recht hat, sei dahingestellt. Konkret geht es um Claudio Del Principe und sein neuestes Kochbuch a casa, das im at Verlag erschienen ist. Und ich kann mich dem eingangs erwähnten Eindruck auch nicht ganz verschließen, wenn ich mir die Bilder anschaue von Del Principe an den Kochtöpfen stehend mit blütenweißem Hemd, mit seiner in die Schläfe hängenden Haarsträhne. Aber wahrscheinlich ist das bereits schon mehr die Marke. Denn Del Principe – mittlerweile ein sehr bekannter Foodblogger und Kochbuchautor – kultiviert seine Erscheinung in diversen Medien, lässt südländische Grandezza erkennen und uns Betrachter seine italienischen Wurzeln so mehr als glaubhaft erscheinen. Im Untertitel wird es deutlich gemacht, denn da erfährt man, dass a casa ein sinnliches Kochtagebuch mit 200 italienisch inspirierten Rezepten ist.

Im einleitenden Kapitel Benvenuti a casa, greift der Autor einige Fragestellungen auf, die alle KöchInnen bewegt. Da bekennt er sich zum Können, aber nicht zur Kunst des Kochens, zu seinem italienisch Denken beim Kochen – sprich Freiraum des Improvisierens. Dem scarpetta face, der Rückbesinnung auf echtes Essen, das im Italienischen mit den „Schuh eintunken“ umschrieben wird. Das macht Del Principe denn auch im Titelbild: Sugo mit Brot vom Pastateller auftunken. Und dann schreibt er noch von der Zeit als die wertvollste Zutat, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß. Eine Seite lang sinniert der Autor über den Stellenwert der Zeit beim Kochen. Um mittendrin dann die nüchterne Feststellung zu treffen: „Essen ist total easy und kostet nicht viel Zeit. Das ist eine fette Lüge.“

Del Principes Sprache ist nüchtern klar. Kurzweilig und fein lesbar sind seine Texte, Beschreibungen, die seine Kochthemen erweitern und fassbar machen. Mitunter mit lustigen Vergleichen, so geschehen bspw. bei der Beschreibung der Garganelli-Nudeln. „Die klassische Pastaform aus der Emilia Romagna verdankt ihren Namen der Ähnlichkeit mit der Speiseröhre des Huhns.“ Damit hat man sofort ein Bild im Kopf, wie diese Nudel auszusehen hat. Und immer wieder kommt auch das Temperament hervor, wie dieses Beispiel zeigen soll: „Den Sugo mit den Garganelli vermischen und, wenn man ihn bekommt, etwas von dem überragend cremigen Büffelmilchricotta darübergeben. Mamma mia! Es ist ja nur Pasta mit Tomatensauce, aber bitte, in diesem Universum ist alles zu finden, von matschigen Nudeln mit fragwürdiger Tunke bis zu diesem Leitstern. Alles, was man tun muss, ist, danach zu greifen.“ Immer wieder bricht die Begeisterung Del Principes sich durch die Kochanleitungen, reißt mit. Ohne dabei die grundlegende Haltung aufzugeben, ehrlich und aufrichtig zu kochen, mit Sorgfalt und Hingabe.

Am ersten Januar gilt des Autors Interesse nicht dem Silvestermenü. Nein, es ist das Brot, das Laib und Seele zusammenhält, womit der Kochbuchteil beginnt. Und er verfolgt damit auch eine Vision. Jeder – so seine Vorstellung – soll das Brotbacken so verinnerlichen wie z. B. das Radfahren. Dazu braucht es eine Lievito madre, wie er seine Mutterhefe für die italienische Sauerteigführung bezeichnet. Aus Äpfeln und Vollkorn-Weizenmehl entsteht Del Principes Urhefe, die er überall mitnimmt, selbst in den Urlaub. So kann er jederzeit sein Pane pugliese con Lievito madre backen. Wie das Verinnerlichen des Backens geschehen soll, erfahren wir am 4. Januar, das neben backtechnischen Informationen über Mehlsorte und Wassertemperatur auch eine Kurzbeschreibung der Brotbackausrüstung enthält. Übrigens macht Del Principe auch seinen Pizzateig mit Lievito madre an, der dann mindestens 12 Stunden rastet. Und seine Pizza bianca, nur mit dem Inneren des Burrata und Sardellenfilets belegt, ist eine Wucht. Oder wie Seiler dazu schrieb: … man kann nie genug davon bekommen. Und um den Kreis wieder zu schließen, verweise ich auf das Focaccia barese, ein Brot, das nach Holzofen schmeckt und mit dem Pizza-Grundteig zubereitet wird.

Am 24. März, so lese ich, stand Polenta e Pomodoro auf dem Tisch der Familie Del Principe. Polenta mit passierten Tomaten, die mit Petersilie und Parmesan verfeinert sind, und fertig. Einfachste Kost aufs Elementarste beschränkt. Phantastisch, mehr muss man nicht sagen. Es sind vielfach einfache Rezepte, die immer wieder Bodenberührung anstreben, italienischen Boden, wie die Sardinen, mit Peperoncino, Petersilie, Frühlingszwiebeln, Kapern, Olivenöl und Zitronensaft verfeinert, eine ausgezeichnete Vorspeise abgeben. Oder jene Maccheroni mit Auberginen, die, nur noch gewürzt, ein köstliches Mahl mit den in unseren Breiten viel zu wenig beachteten Eierfrüchten abgibt. À propos Auberginen oder Melanzane, wie sie in Italien heißen. Dazu serviert Del Principe am 21. Juli Parmigiana di melanzane, einen Auberginenauflauf, der es in sich hat. Der muss sich nicht an das Datum halten und kann auch im März auf dem Speiseplan stehen. Meiner besseren Hälfte habe ich diesen Auflauf vorgesetzt und sie konnte nicht genug davon kriegen. Das will was heißen, wenn man bedenkt, dass sie sonst sehr maßvoll speist, in Kinderportionsgröße. Jedenfalls konnte ich ihr meine Liebe mit dem Überlassen des letzten Bissens beweisen. Und damit Sie auch diesen Liebesbeweis gegenüber Ihren Liebsten antreten können, erfahren Sie auch das Rezept.

Del Principes jüngstes Kochbuch gibt eindeutig der italienischen Küche den Vorzug, wenn auch andere Kochkultureinflüsse spürbar sind. Auch ist sein Ansatz, ein ganzes Jahr Kochen tagebuchartig zu erfassen und reflektieren, nicht neu, ähnelt gar Slaters Küchentagebuch, was aber nicht die Leistung schmälert. A casa ist Lesegenuss und Inspiration, wahrlich ein kleines Meisterwerk der Esskultur. Dazu tragen auch die hervorragenden Fotos der vorgestellten Rezepte bei, die spielerisch mit variierender Tiefenschärfe das Wesentliche erfassen. Ganz am Ende ist der Autor mit seinem 90jährigen Vater abgebildet, der verschmitzt zu seinem Sohn meint: „Ich sehe jünger aus als du!“ und ihm den Rat gibt: „Nirgends isst du besser als zuhause.“ Vielleicht war dies der Impuls für a casa, ein Kochbuch, das seinen Platz im Kochbücherregal behaupten wird. Meines hat vom vielen Gebrauch bereits schon viele Flecken und Eselsohren abbekommen.

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