Alauwad Fadi, HAYATI. Syrische Heimatküche

Eine kulinarische Reise durch den Orient

Fotografiert von Ilya Shapovalov
EMF Verlag (Edition Michael Fischer), Igling, 2017, 208 Seiten, 28.90 Euro
ISBN 978-3-86355-837-6
Vorgekostet

Heute reisen wir nach SYRIEN.

Als der Schweizer Gelehrte Johann Ludwig Burkhardt um 1809 über ein Jahr lang durch Syrien reiste, war dieses Land noch Teil des Osmanischen Reiches. Die Türken diktierten den Alltag. Der Orientalist hatte ein Empfehlungsschreiben von der Regierung Mahmuds II. bei sich, als er beim Scheich von Aleppo vorsprach. Der empfing ihn zwar, speiste ihn jedoch mit einer Wasserpfeife und Tee ab, um selbst zu einem Festessen zu eilen. Ein Affront, denn hier wurde die orientalische Gastfreundschaft aufs Gröbste verletzt. Fadi Alauwad verließ mit Frau und drei Töchtern sein Heimatland, fand Zuflucht in Aachen. Unter keinen Umständen wäre es Fadi in den Sinn gekommen, einen Besucher mit einer Nargile und Tee zu vertrösten. Fadi Alauwad ist Koch und Gastfreundschaft verbindet er mit Essen. Dass Fadi kochen kann, bewies er in den Sternerestaurants von Damaskus und als Fernsehkoch. Quasi ein Kollege von Björn Freitag oder Horst Lichter. In Deutschland angekommen, hatte er den Status eines Flüchtlings, er war ein Unbekannter, der zum Nichtstun verurteilt war. Aber es wäre nicht Fadi gewesen, wenn er nicht die Ärmel hochgekrempelt und mittlerweile als Chefkoch in einer Brasserie Arbeit gefunden hätte. Daneben schreibt er Kochbücher. Und auch wenn er inzwischen weiß, wie man Apfelstrudel macht, seine Kochwelt ist die syrische. Sein neuestes Kochbuch, Hayati, beschäftigt sich mit der seiner Heimatküche und ist in der Edition Michael Fischer (EMF) erschienen.

Kochen ist für mich Musik, erläutert Fadi seine Einstellung zu seinem Beruf im Vorwort. Es ist Berufung und einem künstlerischen Akt gleichzusetzen, der sich in einem Wort fokussiert: Hayati, das bedeutet mein Leben. Fadi ist trotz aller Umstände ein glücklicher Mensch, so wie er uns auf den Abbildungen entgegen lacht. Dieses Glück will er weitergeben; in Form von Essen, von Rezepten, die den Duft, die Optik und den Geschmack syrischer Kochtraditionen enthalten.

Nach einer kurzen biographischen Vorstellung des Autors folgt eine sehr knappe Einführung in die syrische Küche. Diese hätte ruhig ein wenig ausführlicher ausfallen können, denn sie beschränkt sich auf marginale Eckdaten. So erfahren wir, dass die traditionelle syrische Hauptmahlzeit aus drei Gängen besteht, dass es vorwiegend zwei Sorten Fladenbrot gibt, auch dass Koriandergrün, Petersilie und Minze die wichtigsten Kräuter und Gewürze sind. Aber nichts von den Einflüssen angrenzender Länderküchen oder ob die lokale von der französischen Küche Anleihen nahm in der Zeit des französischen Mandats, die von 1918 bis 1948 dauerte. Aber gut, hier geht es nicht um Geschichtsunterricht, sondern ums Kochen. Und bevor gekocht wird, listet Fadi die syrischen Zutaten auf, die er in Gruppen zusammenfasst. Auf einen Blick werden die wichtigsten Ingredienzien der syrischen Küche sichtbar: Gemüse sowie Hülsenfrüchte, Getreide und Nüsse stehen an erster Stelle – sie decken den Hauptanteil ab -, gefolgt von Obst, Gewürzen und Kräutern, wie auch eingelegtem Gemüse. Erst dann, faktisch abgeschlagen, folgen Milchprodukte, Fleisch und Fisch. Das ist insofern aussagekräftig, als bspw. in Hayati unter den Hauptspeisen sich nur ein Fischgericht findet, der Samakk Harrah. Und als Mezegericht werden würzig frittierte Sardinen vorgestellt. Gemessen an dem 200 km langen Küstenstreifen, den das Land besitzt, wo vorrangig Fisch gegessen wird, ist es um die Fischrezepte in diesem Kochbuch rar bestellt. Fadi konzentrierte sich da wohl mehr auf die Klassiker seiner Heimat. Das sind vor allem Mezegerichte, also Appetitanreger, die den Magen auf die Hauptspeise einstimmen sollen. Unzählig sind hier die Rezepte. Wobei anzumerken ist, dass viele dieser Gerichte zu einer Hauptspeise aufgerüstet werden können. 28 von 100 Gerichten finden sich im Mezekapitel, was die Wichtigkeit der Meze in der orientalischen Küchentradition unterstreicht. Neben bekannten Gerichten wie Tabbuleh, ein Salat mit Petersilie und Bulgur, oder Fattousch, der Salat mit geröstetem Fladenbrot  oder die frittierten Kichererbsen, besser bekannt als Falafel oder Hummus, das berühmte Kichererbsenpüree, werden auch bei uns weniger bekannte Meze-Gerichte vorgestellt. Dazu zählen bspw. Teigtaschen mit Spinatfüllung, die hervorragend schmecken. Auch das frittierte Gemüse mit Fladenbrot und der Blumenkohl, d.h. Karfiol mit Tahina-Soße sind mehr als bekömmlich. Es soll über 60 Sorten Kebbeh geben in Syrien. Zwei stellt uns Fadi vor. Das Rindertatar mit Bulgur und die frittierten Bulgurbällchen mit Fleischfüllung sind sinnlich gewordene Versuchungen.

Im Hauptspeisen-Kapitel fielen mir besonders einige Gemüsegerichte auf. Die Auberginenpfanne, aber ebenso die gefüllten Zucchini und dann das Auberginenpüree mit Hackfleisch. Dazu zählt auch die Hühnerleber auf syrische Art, die allesamt traditionelle Gerichte sind, einfach und extrem gut. In dieser Form nicht gekannt habe ich den Bulgur-Lamm-Auflauf, der, sieht man nicht genau hin, als Torte identifiziert werden könnte. Allerdings ist der Teig aus Rindfleisch und Bulgur, der mit Lammfleisch gefüllt wird, somit einen eigenständigen kulinarischen Charakter entwickelt, der schwer zu beschreiben ist. Wahrlich ein opulentes Essen, das man einfach ausprobieren muss. Und da wir schon bei Tortenformen sind, ist der Sprung zum verführerisch Süßem nicht weit. Aber auch hier müssen wir uns von unseren westeuropäischen Vorstellungen verabschieden. Es gibt hier nichts Tortenförmiges. Sesamkonfekt, Butterkekse mit Pistazien, Kümmel-Reis-Pudding und Grießkuchen mit Kurkuma werden serviert. Besonders angetan war ich von den syrischen Grießschnitten, die so einnehmend gut schmecken, dass man kaum aufhören kann.

Mich schwer vom Süssen Kapitel lösend, muss ich noch zwei weitere Kapitel erwähnen, die sich den Beilagen & Soßen sowie Getränken widmen. Auch hier finden sich einige Schmankerln, etwa der Reis mit Fadennudeln, der Zimt-Ingwer-Tee oder der Granatapfelsaft, um einige aufzuzählen.

Am Schluss berät uns ein mehrseitiges Register, das keine Wünsche unerfüllt lässt.

Bei den Rezepten sind die Mengenangaben überwiegend in Gewichtseinheiten angegeben, manches als Stückzahl und einiges in Bundmenge; so werden bspw. für Tabbuleh drei große Bund Petersilie benötigt. Hier wäre für weniger geübte Köche und Köchinnen eine Umrechnungstabelle hilfreich. Auch wären minimale Zeitangaben der Vor- und Zubereitung angenehm, aber es geht auch ohne. Allen Rezepturen vorangestellt ist ein kurzer Vorspann, in welchem Fadi noch einige ergänzende Betrachtungen einfließen lässt. Die Bandbreite reicht von kochtechnischen Details über ethnographische Notizen des Kochens mit Nachbarn und Freunden bis zu biographischen Anmerkungen. So erfahren wir, dass Grüne Bohnen mit Tomatensoße das erste Gericht war, das er von seiner Mutter gelernt hatte und selber kochen konnte.

Je mehr man aus Hayati nachkocht, um so mehr beeindruckt die orientalische Küche. Fadis syrische Heimatküche ist stark vegetarisch orientiert mit einem großen Anteil an veganen Rezepten, auf die extra hingewiesen wird. Für jene, die die orientalische Küche nicht kennen, ist Hayati ein guter Einstieg. Jene, die vertrauter sind mit den Gerichten des vorderen Orient, werden überrascht sein von Fadis individueller Interpretation seiner syrischen Heimatküche. Zum Beispiel die Linsensuppe mit Mangold.

Hayati, die syrische Heimatküche von Fadi Alauwad ist sowohl inhaltlich als auch gestalterisch sehr ansprechend. Alle dargestellten Speisen sind kunstvoll arrangiert; darin zeigt sich der künstlerische Anspruch des Autors und Kochs, der Kochen auch als künstlerischen Akt versteht, wie ein Maler seine Bildkomposition. So präsentiert er Rindertatar mit Bulgur als tellerfüllendes Riesenblatt mit schmückendem Minze-Grün und einem halben Walnusskern so kunstvoll, dass man das Werk kaum zerstören möchte und Messer und Gabel beiseite legt, um das Werk zu bestaunen.

Überhaupt sind die Foodfotos mit den dekorativen Arrangements der Speisen eine Meisterleistung für sich. Hier sind gestaltende Künstler an der Arbeit, von denen man sich einiges abschauen kann. Bekanntlich isst das Auge mit.

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