Simone Wille, TOKYO CAKES

Süße Rezepte aus Japan

Fotos von Leela Cyd, Dustin Heerkens und Simone Wille
Berlin Verlag, Berlin, 2017, 256 Seiten, 24.70 Euro
ISBN 978-3-8270-1337-8
Vorgekostet

Heute reisen wir nach JAPAN.

Nach Tokyo, der 10 Mio Einwohner zählenden Metropole, die im Osten der japanischen Hauptinsel Honshu liegt. Mit Tokyo wie überhaupt mit Japan verknüpfe ich – und wahrscheinlich auch viele andere – nur vage Vorstellungen. Diese sind vermutlich eher klischeehaft, was durch japanische Literatur verstärkt wird, die sich mir nicht immer erschließt, oder durch japanische Filme, die eine Gesellschaft skizzieren, die meine Vorstellungskräfte sprengen. Wie z. B. Akira Kurosawas Meisterwerke Rashomon oder Ran. Mein japanischer Freund, der nach Österreich kam zum Studieren, sich fern der Heimat verliebte und blieb; auch er konnte mir Japan nicht wirklich erklären. Im Gegenteil, er verstärkte diesen Mythos und meine gegensätzlichen Empfindungen von Anziehung und Distanz zu diesem Land. Von ihm kenne ich und übertrage es auf alle anderen Japaner dieses scheue, sanfte, fast zaghafte Lächeln, diese abwartende Haltung, die irritierend und gleichzeitig beruhigend ist . Und manchmal, wenn er zum Essen einlud, japanisch natürlich, so war es diese einfache Küche, die fast an Askese grenzt, die mich faszinierte. Nachspeisen gab es selten; erinnern kann ich mich an Daifukus, das sind Reismehlküchlein, die mit einer Adzukibohnenpasta gefüllt sind.

Überhaupt entsprechen japanische bzw. asiatische Nachspeisen nicht unbedingt unseren europäischen Vorstellungen und sind anfangs gewöhnungsbedürftig. Aber wenn man bspw. Dora Yaki, das sind zwei aufeinander gelegte Pfannkuchen, die mit roten Bohnen gefüllt sind, öfters gegessen hat, dann kann man diesen herzhaften Desserts bzw. Snacks, die auch mal als Zwischengang serviert werden, durchaus einiges abgewinnen. Und nun taucht – so unvermutet, wie aus heiterem Himmel – ein Kochbuch auf, das sich den japanischen Desserts widmet. Tokyo Cakes, so der Titel dieser süßen Vorsehung, versammelt eine Menge Rezepte aus Japan, die Simone Wille vor Ort gesammelt hat. Es ist im Berlin Verlag erschienen.

Im Vorwort gesteht Wille, dass nirgendwo Kaffee und Kuchen so gut schmecken wie in Tokyo. Immer wenn sie dort ist, erobert sie langsam aber stetig ihre gute Laune machende Stadt um weitere Straßenzüge und neu entdeckte Cafés. Aber es sind die Angebote, die sie ent- und verzücken, die dort in Vitrinen zur Schau gestellt werden: Kuchen, so zart, so klein, so duftig. Ihre Begeisterung für diese feinen Texturen, die überraschenden Aromen und die schlichte Schönheit japanischer Kuchen will sie weitergeben, in Wort und Bild. Wir werden also mitgenommen zu einem Streifzug durch die Viertel dieser Stadt. Wir kehren ein in unscheinbare Cafés von schlichter Eleganz, die mich mehr an die rheinländischen Lädchen erinnern und so sehr das Gegenteil sind gewohnter österreichischer Konditoreien. Hier holen mich wieder meine klischeebesetzten Vorstellungen ein … Es sind also Imbissstätten. Einfaches Industriedesign, in pastellfarbenen, hellen sepia Tönen, sparsamst möbliert, Oasen des Rückzugs – so scheint’s – zum Genießen und Erholen vom stressigen Tokyoter Alltag. Diese Fotos von den Cafés aus unterschiedlichsten Perspektiven sind wie Fensterblicke, die mir eine unbekannte Seite Japans zeigen. Aber dazu kommen noch Fotos von diversen Kuchen, Torten, Käsekuchen, Getränken, Desserts, Hotcakes und Crèpes sowie Brötchen. Eine Aufzählung, die auch den Kapiteln dieses Back- und Getränkebuches entspricht.

Zuerst geht es also um japanische Kuchen. Sie unterscheiden sich in Zusammensetzung und Geschmack von europäischen. Sie sind generell feiner, fluffiger in der Konsistenz. Obwohl ich es mir nicht wirklich erklären kann, warum das so ist, aber es ist so. Die Basisteige sind Biskuit, Rühr- und Mürbteig mit hiesigen Zutaten, also ohne japanisches Lotusmehl. Und das Ergebnis ist meist feinporiger und lockerer im Vergleich zu meinen nicht-japanischen Standardkuchen.

Der Erste, den ich ausprobierte, war der Mandarinen-Vanille-Kuchen, den ich mutig wie ich bin, kaum gebacken zur Chorprobe mitnahm. Der Zuspruch war überwältigend. Nicht nur war er in kürzester Zeit „verputzt“, es wurde auch das Rezept verlangt und vielfach nachgebacken. Und bevor Sie das Rezept anfordern, gebe ich es Ihnen freiwillig.

Auch vom Kürbiskuchen war ich restlos überzeugt. Anstelle des Kabocha-Kürbis nahm ich – wie im Glossar empfohlen -, einen Hokkaido. Der färbte den Kuchen sanft orangen ein; er schmeckte hervorragend.

Mit dem gebackenen Käsekuchen gelang mir eine besondere Überraschung. Freun- din Pea, die zu Besuch bei uns weilte und Süßspeisen normalerweise keines Blickes würdigt, konnte es sich nicht verkneifen, davon zu kosten. Sie war voll des Lobes. Aber dieser Kuchen verführte mich auch zu einem Experiment: Ich verwendete statt normalem Frischkäse den italienischen Burrata und ließ auch das Mehl komplett weg. Entstanden war ein kulinarisches Highlight der Extraklasse.

Die Liste der noch zu backenden Kuchen ist lang. Den Matcha-Kuchen mit weißer Schokolade etwa oder die Maronen-Cassis-Kuppeln oder der Kirschblüten-Honig-Kuchen, der in der Zeit der Kirschblüte aktuell wird; sie alle werden nach und nach gebacken. Ganz zu schweigen von all den Biskuitrollen, die mit Maronen, Birnen, Erdbeeren und anderen Früchten gefüllt sind.

Eingelegt habe ich die Honigzitrone, die sich bestens zum Süßen von Tee mit Ingwerscheiben in kalten Wintertagen eignet. Im Getränkekapitel findet sich aber auch eine Menge unterschiedlichster Kaffeeaufbereitungen sowie Shakes und Limonaden. Sehr angetan war ich von der Süßkartoffelmilch nicht nur wegen ihres interessanten Geschmacks, sondern auch wegen ihrer milka-violetten Färbung. Ein süffiges Getränk, in welchem sich die Aromastoffe von Milch, Süßkartoffel und Honig gegenseitig verstärken.

Tokyo Cakes birgt noch viel mehr Überraschungen. Aber auf diese Entdeckungsreise dürfen Sie selbst gehen.

Winzig und klein sind japanische Kuchen, findet die Autorin und stellte deshalb in den Anhang eine Umrechentabelle für größere Mengen und Formen. Auch beschreibt Wille die japanischen Backformen und -techniken, erklärt dazu ausführlich die diversen Teigarten und wie sie zu handhaben sind. Im anschließenden Glossar werden noch – in knappester Form – einige ausgewählte Zutaten vorgestellt: von Adzukibohne bis Yuzu, einer Zitrusfrucht. Den Anhang sollte man lesen, bevor mit dem Backen begonnen wird. Das Backbuch endet mit einem aufs Minimalste beschränkten Rezeptregister und dem nachgestellten Bildverzeichnis, das eigentlich die zusammengefassten Bildunterschriften sind.

Gewünscht hätte ich mir von der Autorin mehr Hintergrundinformationen über Café und Kuchen in Tokyo, sowohl im historischen als auch alltäglichen Kontext, wie auch detailliertere Erklärungen über Tee und Kaffee. Auch, weil Simone Wille eine ausgewiesene Spezialistin koffeinhaltiger Getränke ist. Dennoch ist Tokyo Cakes eine großartige Bereicherung für jede Backbuchsammlung. Zum einen, weil Wille mit ihren süßen Rezepten uns eine wenig bekannte Welt japanischer Naschkunst erschließt und zum anderen, weil sich neue betörende Duftnoten und Farbkompositionen auftun, sodass einem das Herz höher schlägt. Tokyo Cakes ist eine wunderbare Reise durch das süße Japan.

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert