Claudio Del Principe, Ein Sommer wie damals

Italien. Unvergessliche Rezepte, Musik und Amore

Christian Brandstätter Verlag, Wien, 2016, 240 Seiten, 29.90 Euro
ISBN 978-3-85033-968-1
Vorgekostet

Heute geht es um den Sommer – DAMALS.

Da werden Kindheitserinnerungen wach. Der erste Italienurlaub in den 70er Jahren. Zum ersten Mal das Meer gesehen. Salzwasser geschluckt, Gelati geschleckt. Laut war es am Strand, ein fröhliches Geschnatter. Ich erinnere mich an meine erste Pizza, auf die wir so lange warten mussten, weil alle in dem zum Bersten gefüllten Lokal dieses Wunderding von belegtem Brotteig probieren wollten. Mir hat die erste Margarita nicht geschmeckt, dafür aber die Lasagne umso besser. Erinnerungen werden über Geschmack- und Geruchseindrücke definiert, schreibt Claudio Del Principe und meint, dass jeder auf prägende Italienurlaube zurück blicken kann. Und da hat er nicht so unrecht. Wenn wir Feuerbachs Spruch, der Mensch ist, was er isst, an Kindheits- und Urlaubserlebnisse knüpfen, so dürfte ein nicht geringer Teil in uns italophil sein. Diesem prägenden Damals ist Del Principe auf der Spur. Der Brandstätter Verlag hat es veröffentlicht. Ein Sommer wie damals, so der Titel, ist unvergessliches Essen, Musik und Liebe.

Ein Sommer wie damals ist rückwärtsblickend, verklärend und gleichzeitig gegenwärtig. Es beginnt mit dem Espressoduft am Morgen. Im Hintergrund klingen einschmeichelnde Schlager italienischer Cantautori. Eine Playlist von Sommerliedern in einem Kochbuch ist mal was Neues. Aber gehören italienische „Schnulzen“ nicht auch zu den unvergesslichen adriatischen Sommer-Momenten?

Ich suche den Sommer, das ganze Jahr
Und auf einmal ist er da! singt Adriano Celentano in Azzurro.

(Cerco l‘estate tutto l‘anno
e all‘improvviso eccola qua. Lei è partita per le spiagge …)

Lassen wir die Reise in den Süden, in die Vergangenheit, beginnen. Fangen wir mit den Antipasti an. Umfangreich und vielfältig wie die italienischen Landschaften ist das Angebot an diesen verführerischen Vorspeisen. Ob Thunfisch-Tatar oder Focaccia barese, ob Rohschinken mit Melone oder Sardinen in Saór, es sind wiederbelebte Erinnerungen, die die Gegenwart herzhaft beglücken. Die Focaccia, ein Mittelding zwischen Brot und Pizza, die es in unzähligen Variationen gibt, habe ich ausprobiert und … einfach gut – mehr muss man dazu nicht sagen. Einige Seiten weiter geht Del Principe auf die Tomaten ein und führt 10 Inspirationen an, um frischen Tomaten den großen Sommerauftritt zu bereiten. Dabei erfährt man allerlei Wissenswertes über dieses rote Nachtschattengewächs. Gut 500 verschiedene Sorten werden in Italien kommerziell angebaut und sind damit der größte kulinarische Nenner des Landes. Auch der Focacchia mit Zucchiniblüten konnte ich nicht widerstehen, zumal die Blüten in meinem Garten geradezu danach schrien, endlich gebacken zu werden. Auch ein unvergesslicher Genuss. Und ich verstehe die Freude von pizzaolo Tomas Morazzini, der uns vor seinem Backofen stehend, entgegen lächelt und von seiner Freundin Eleanor, der Mutterhefe, erzählt. Sie ist 65 Jahre alt und kein Brot, keine Pizza, keine Focacce, Panettoni und Colombe wird ohne sie gebacken. Wer es nicht glaubt, kann ihn selbst befragen in Urbino dei Laghi. Oder besser, vor Ort seine Focacchia mit Zucchiniblüten probieren.

Zucchini gehören für mich zum Sommer wie Schwimmen. Und deshalb werde ich Ihnen die gebratenen und marinierten Zucchini nicht vorenthalten – also sehen Sie im Rezept-Ordner nach. „Zucchini haben so viel Eigengeschmack, wenn sie richtig zubereitet werden. Langweilig sind sie nur, wenn sie zu spät und viel zu groß geerntet werden“, ist im Vorspann zum Rezept festgehalten. Und damit hat der Autor völlig recht. Überhaupt sind allen Rezepten vorangestellt, Gedanken und Eindrücke, die das Typische des vorgestellten Gerichtes herausstreichen. Die Spaghetti alla bottarga schmecken intensiv-würzig, salzig, nach Fisch, aber irgendwie auch nussig und rauchig. Wenn man die simplen, aber entscheidenden Schritte bei der Zubereitung befolgt … Bei den Carratelli mit wildem Spinat, begegnet uns ein alter Bekannter wieder, der Bergspinat, auch als Guter Heinrich bekannt, und in unseren Bergen bis auf 2500 m Höhe anzutreffen ist. Wer Scialatielli (Schalatielli) mit Zitrone, ein Nudelgericht aus der Amalfiregion, nicht kennt, sollte diesen Zungenschmeichler: vollmundig, geschmeidig und kernig im Biss, unbedingt ausprobieren. Die letzten drei Gerichte sind im Kapitel Primi anzutreffen, wie auch die Pasta alla Norma, ein sizilianischer Klassiker mit Auberginen, voller Röstaromen, die ihresgleichen suchen.

Den Kapiteln Antipasti und Primi folgen zwei Secondi, einmal mit Fisch und einmal mit Fleisch. Den Abschluss bilden die Dolci. Und natürlich begegnen wir dabei altbekannten Gerichten wie Spaghetti alla Carbonara, Thunfisch mit Sellerie, Bistecca alla fiorentina oder Vitello tonnato. Ihnen sind wir damals schon begegnet. Auch Pannacotta mit Sauerkirschen zum Nachtisch ist altbewährt. Hier erscheinen mir die Mengenangabe von 2 Blatt Gelatine etwas ungenau und bei unseren handelsüblichen eher kleinen Blattgrößen viel zu wenig, um die gekochte Sahne fest werden zu lassen. Allerdings machte das Zubereiten der Panacotta viel Spaß und meine Kinder konnten nicht genug davon bekommen. Dass Del Principes Kochbuch viel mehr ist als ein Aufwärmen altbewährter italienischer Rezepte, zeigt sich sehr gut an zwei Beispielen: Das Kalbsfleisch zur Vitello tonnato rät er nur kurz anzubraten, sodass es innen zartrosa bleibt wie ein Roastbeef. So ist es auch viel saftiger – ein wahrer Hochgenuss.

Wer glaubt, dass die Carbonara mit Sahne und Schinken zubereitet, der Spaghetti-Kochweisheit letzter Schluss sei, der sollte es auf folgenden Versuch ankommen lassen: Die Sahne wird weggelassen und der Schinken durch Guanciale, das ist luftgetrocknete Schweinebacke, ersetzt. Probieren Sie es aus, Sie werden staunen, wie anders, authentischer die Spaghetti alla Carbonara plötzlich schmecken. Und mischen Sie den Parmesan mit Pecorino, halb halb.

Diese Beispiele – es gibt mehr davon -, zeigen, dass Claudio Del Principe sich in der italienischen Küche auskennt. Viele Gerichte tragen auch die Handschrift des Autors und entpuppen sich in ihrer modifizierten Form als Neuentdeckung. Eingestreut zwischen all den Rezepten sind kurze Texte über die Begeisterungsfähigkeit der Italiener, über abendliches Flair am Strand, das Picknicken am Ende einer Wallfahrt, das Schlecken und Schlendern und vieles andere mehr, was dieses Kochbuch auch zu einem Lesebuch macht. Wunderbare Fotos von Speisen und Momenten italienischen Alltags ergänzen das Geschriebene. Ein Sommer wie damals ist ein schön gestaltetes Buch, das Lust macht, sofort aufzubrechen ins Damals oder sich einfach in die Küche zu begeben um bspw. Weiße Lasagne zuzubereiten.

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