Mikkel Karstad, Gone Fishing

Fisch und Meeresfrüchte. Rezepte aus der nordischen Küche

Fotografiert von Anders Schonnemann
Übersetzt aus dem Dänischen von Elke Adams
Prestel Verlag, München, 2017, 256 Seiten, 46.30 Euro
ISBN 978-3-7913-8355-2
Vorgekostet

Heute reisen wir nach DÄNEMARK.

Dort lebt Mikkel Karstad, ein Gardemanger und Foodstylist, der in seinem jungen Leben – er ist Jahrgang 1974 – schon allerhand gemacht hat. So arbeitete er nach seiner Koch-Ausbildung bei und mit renommierten Köchen wie Gordon Ramsay oder Claus Meyer, bekochte einige Zeit die dänischen Parlamentarier und bewirtet heute mit seinem Personal-Restaurant in einem großen Anwaltsbüro nahe dem Öresund Kopenhagens sowohl die Mitarbeiter der Kanzlei als auch deren Kunden. Die Nähe zum Meer ist mehr als nur Naturverbundenheit, sie ist programmatischer Teil eines Rituals, das – wenn auch nicht jeden Tag so doch jeden zweiten – vollzogen wird: Schwimmen, damit der Kopf frei wird. Aber auch für Mikkel Karstad beginnt der Tag – so, wie es sich für einen Nordländer gehört – mit einem Butterbrot und einem Stück Käse. Damit sind nun die zwei wichtigsten Aggregate benannt, die den Lebensalltag dieses hageren, bärtigen Wikkinger-Nachfahren bestimmen. Fisch bzw. Meeresfrüchte auf offenem Feuer zubereitet, dazu ein Stück Brot, ist die aufs Einfachste zurückgenommene Form von Esskultur, Ausdruck archaischer Lebenshaltung, die größtes Glück erfahren lässt. Deshalb beginnt auch ein neues Fischkochbuch mit dem Prinzip der Reduktion aufs Minimalste: Scholle in Zeitung mit Stockbrot. Es sind Rezepte aus der nordischen Küche, die Mikkel Karstad in Gone Fishing präsentiert, das im Prestel Verlag herausgekommen ist.

Erstmalig in Berührung mit einem riesigen Kabeljau kam Mikkel als Sechsjähriger. Dieser Fang war eine Art Initiationszündung. Ein Erlebnis mit nachhaltiger Wirkung. Nicht nur waren seine Ferien von nun an bestimmt mit Fischefangen, er entschied sich auch, eine Kochlehre in einem Fischrestaurant zu machen. Mit beeinflussend wirkten wahrscheinlich die Kochkünste der Großmutter, die eine einfache, natürliche Küche kreierte. Ein Prinzip, dem – so vermitteln es auch die Rezepte – Karstad treu blieb.

Es sind ausgewählte Salz- und Süßwasser-Vertreter, die der Koch hier serviert. Die Zubereitung von Scholle, Makrele, Hornhecht, Rochen, Steinbutt und Zander werden neben Kaiserhummer, Krabbenscheren, Tintenfisch und Schwertmuscheln kapitelweise zusammengefasst, ihnen eine Vielzahl von Rezepten gewidmet. Dabei stehen immer Fisch bzw. Meeresfrüchte im Mittelpunkt. Eine Ausnahme bildet der Strandabschnitt, da werden zwar Gedämpfte Muscheln mit Bier und Strandkräutern serviert und dazu, quasi als Nachtisch, ein Apfel-Zimt-Kuchen inklusive heißem Holundersaft mit Zitrone und Rohrzucker. Ausgangspunkt für Karstads Fischbuch war, die Fischvielfalt Dänemarks aufzuzeigen, solche Arten, die wir Landbewohner problemlos beim Fischhändler bekommen. Gleichzeitig will dieses Fisch-Kochbuch Anregungen liefern, unsere Produktpalette sowie Formen der Zubereitung zu erweitern.

Neben den Rezepten sind es vor allem die hervorragenden Fotos von Anders Schonnemann, die eigene Geschichten vom Meer, von Fischen und Fangen, von Lagerfeuer und gelebter Naturidylle erzählen. Bilder, die überwiegend in blauem oder in blau-grauem Ton gehalten sind, ruhige stimmungsvolle Bilder, die mich Betrachter beim Durchblättern zurücksinken und die Gedanken zu Lagerfeuererlebnissen längst vergangener Tage schweifen lassen. Die Motive wecken Sehnsüchte, lassen uns das Knistern brennender Holzscheite hören. Mit verantwortlich für diese Sinnlichkeit ist wohl auch der Leineneinband, als Vorgeschmack darauf, was sich mit den Seiten eröffnet. Ein schön gestaltetes Buch mit viel Raum, sich zu entfalten.

Eine Forelle in nassem Zeitungspapier eingeschlagen und auf brennende Scheite des Lagerfeuers gelegt, hatte ich schon öfters gemacht. Aber es noch nie mit einer Scholle und Seetang gewürzt versucht, was ich mir nun für den nächsten Strandurlaub vorgenommen habe. Nicht umhin kam ich, das gebratene Schollenfilet mit Blumenkohl und Kronendill auszuprobieren. Ein Pfannengericht, so einfach, so betörend gut, dass mir die Worte fehlen. Deshalb ist das Rezept niedergeschrieben.

Auch die gebratene Makrele mit Mais, Kohlrabi und Bronzefenchel waren ein Highlight des Geschmacks. Anstelle des Bronzefenchel verwendete ich normalen, der auch seine Dienste erfüllte. Die Makrele konnte sich zusammen mit dem gebratenen Gemüse wunderbar entfalten. Es ist die Art der Zusammensetzung, wie Karstad Fisch und Meeresfrüchte mit Spargel, Fenchel, Sauerklee, Pilzen, Tomaten, Karfiol und anderen Zutaten kombiniert, die seine Gerichte zu einmaligen Geschmackserlebnissen werden lassen. Wie vielfältig seine Kreationen sind, lässt sich schon aus dem vierseitigen Register ablesen. Schade finde ich, dass kein erklärendes Glossar bzw. Warenkunde beigefügt ist. So werden manche Anwender die Apfelrosen, die für die Zubereitung von Stockbrot benötigt werden, nicht unbedingt mit den Rosenblättern der Hagebutte identifizieren. Auch ist mir nicht klar, warum Zutaten z. Bsp. als doppelte Schollenfilets angegeben werden, bzw. warum Produktdetails zu Fisch und Meeresfrüchten über Frische, Putzen und Lagerung äußerst marginal bis nicht gegeben sind. Die Tabelle zu den Angel- und Schonzeiten lässt vermuten, dass dieses Kochbuch sich in erster Linie an Hobbyangler und Experten der Fischkost richtet, was schade ist. Allein die von Karstad verwendeten Gewürze wie Süssdolde (Kerbel), Minze, Brunnenkresse und viele andere lässt dieses Fisch-Kochbuch zu einem experimentierfreudigen Erlebnis werden. Hier gilt: Wer das Abenteuer wagt, kann nur gewinnen.

Gone Fishing ist wie eine ausgelegte Angelschnur, und wer einmal angebissen hat, kommt nicht mehr vom Haken. Ob Sie sich die Lagerfeuerromantik erträumen oder real mit ihren Kindern und Freunden an einem Bach- oder Seeufer umsetzen, dazu trägt Gone Fishing von Mikkel Karstad maßgeblich bei. Das Buch beginnt mit Angeln und endet auch so; nämlich einem Bild von zwei sich unterhaltenden Fischern, die am Pier stehen und ihre Angeln ins endlose Meer halten.

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