Sara Plavic, Süsses Belgrad

eine kulinarische Reise

Texte von Nataša Plavic
Fotos von Sara Planic und Sonja Lazukic
FONA Verlag, Lenzburg, 2017, 156 Seiten, 25.60 Euro
ISBN 978-3-03780-626-5
Vorgekostet

Heute reisen wir nach BELGRAD.

Unser Trip beginnt in der Steiermark, in Graz, den Flüssen folgend. Zuerst der Mur entlang, dann der Drau und schließlich der Donau, die uns nach ca. 200 km Bootsfahrt im Hafen von Belgrad vor Anker gehen lässt. Dort erwartet uns Sara Planic, einer Ärztin und begeisterte Hobbybäckerin. Sara lebt heute in Zürich. Aber aufgewachsen ist sie in Belgrad, einer Stadt, die uns nicht so geläufig ist wie andere Großssstädte Europas. Auch, weil wir mit Belgrad viele Negativschlagzeilen verbinden. 1999 war die Stadt einem 78-tägigen Luftangriff der NATO ausgesetzt; der Beginn des Kosovokrieges. Dabei hat diese Stadt sehr großes Potenzial, war jahrzehntelang ein Brennpunkt kultureller Ereignisse. Im alten Jugoslawien war Belgrad ein Zentrum der Filmproduktion mit vielen begeisterten KinogängerInnen. Nur 200 Jahre früher waren Stadt und Land noch von den Türken besetzt. Nach einem Aufstand und nachdem um 1867 der letzte Osmane diesen Landstrich verlassen hatte, wurde Serbien unabhängig und Belgrad zu einer der wichtigsten Städte auf dem Balkan. In weiterer Folge regierten dann die Habsburger – ihr Einfluss ist heute noch sichtbar an einigen architektonischen Bauwerken. Und noch etwas prägt diese Stadt mehr als andere: die lebendige Kaffeehauskultur. Diese ausfindig zu machen, über das süße Beiwerk, das zum Kaffee gerne gereicht wird, dazu hat sich Sara Plavic aufgemacht. Ihren Ausflug durch die Kaffeehauskultur hat sie festgehalten in dem Backbuch Süsses Belgrad.

Bereits in ihrer Kindheit hat sie sich mit der Stadt vertraut gemacht, zusammen mit ihrer Belgrader Großmutter die Cafés besucht. Später, in ihrem Studium hat sie die kleinen Gässchen, großen Boulevards und einzigartigen Kaffeehäuser wiederentdeckt. Das Buch ist eine Reise durch die Zeit und durch die alten Rezeptbücher ihrer Großmutter und ihrer Mutter, bekennt Sara im Vorwort. Ein Gemeinschaftswerk über zwei Länder hinweg, mit den besten Rezepten aus verschiedenen Familien, die über Jahrzehnte hinweg überliefert wurden. Im Hintergrund unsichtbar die Magie Belgrads mit ihren bezaubernden Winkeln und gemütlichen Cafés. Auch der Schriftsteller Momčilo Kapor fragte sich „Was ist der Geist Belgrads?“ und gab sich selbst die Antwort: „Belgrad mag es nicht, fotografiert zu werden. Die Stadt bewegt sich. Sie fällt nicht schön aus auf Fotos, und ständig ähnelt sie einer anderen Stadt. Es bleiben einige Dinge in Belgrad, die ich sonst nirgendwoanders gesehen habe. Vielleicht nur drei: die Flüsse, der Himmel und die Menschen. Bei der Mündung der Save in die Donau tänzeln die Wolken und vermischen den Nebel östlicher und westlicher Winde. Die Menschen, die unter einer solch aufregenden Leinwand aufgewachsen sind, müssen stürmische, offene und angepasste Wesen sein. Diese Menschen sind willig, ihre Stadt immer wieder aufs Neue aus dem Staub zu heben, auf ganz legere und unprätentiöse Art.“ Und Sara Plavic, von Kapor inspiriert, schafft das, indem sie sich hineinfallen lässt in die Ess- und Kaffeehauskultur Belgrads und Serbiens.

Wer Belgrad besucht, kommt in eine offene, lebendige Weltstadt. An der Save, wo sich einst heruntergekommene Lagerhäuser befanden, Bars und zweistöckige Wohnhäuser, entsteht ein Luxusviertel mit einem 200 m hohen Wolkenkratzer als Wahrzeichen. Einen Steinwurf entfernt die Beton Hallen, ein in den 1930er Jahren erbautes Lagerhaus – nahe am Hafen -, ist ein beliebter Treffpunkt sowohl Einheimischer als auch vieler Touristen. Dort herrscht sommerliche Urlaubsstim- mung und der Weg zu den schwimmenden Partybooten oder in die Altstadt ist nicht weit. Für den besten Kaffee Belgrads muss man allerdings in die Zona Industrijale, wie auch das gleichnamige Café heißt. Dort genießen vor allem ältere Damen und Stammgäste schaumigen Cappuccino mit serbischen Köstlichkeiten wie Cupavci. So heißen die flaumigen Kuchenwürfel, die, in Schokolade getaucht noch mit Kokosflocken überzogen werden. In Australien und Neuseeland gibt es ein fast identisches lediglich in den Mengen leicht variierendes Schokoküchlein namens Lamington, manchmal auch als Doppeldecker mit einer Marmelade-Sahne-Schicht dazwischen. Ob Lord Lamington eine serbische Köchin hatte, die ihm zu Ehren die Cupavci umbenannte, ist nicht bekannt. Jedenfalls sind ‚die Haarigen‘, was Cupavci übersetzt heißt, nicht so süß, wie man es von Balkan-Süßigkeiten gewohnt ist und daher schnell ‚verputzt’.

Einfach und schnell gebacken ist Lenja Pita (Faule Pita), ein nicht sehr hoher Doppeldecker mit einer eingedickten Apfelmasse als Füllung. Ein tolles Gebäck, dessen Herrlichkeit sich beim Reinbeißen offenbart.

Natürlich gibt es auch bekannte klassische Kuchen, die leicht variiert zu Kaffee oder an Festtagen in Serbien serviert werden. Dazu gehört Krempita, eine serbische Version der Cremeschnitte, oder Windbeuteln, die dann Prinzessinnenkrapfen (Princes Krofne) heißen, oder die Pišinger-Torte, die, in Rauten geschnitten, der österreichischen Waffeltorte gleich kommt.

Besonders gut gefallen haben mir die kleinen Köstlichkeiten, die im Aussehen bspw. einem Bienenstock oder Pfirsich ähneln und so gut schmecken. Zugegeben, die Kosnice, also Bienenstöckchen, sind nicht so leicht nachzubauen, aber sie überraschen mit einer feinen Schokocremefüllung. Und die Breskvice werden, mit gehackten Walnüssen und Aprikosenkonfitüre gefüllt, zu kleinen Pfirsichen gepresst.

Einige Kapitel klingen mit stimmungsvollen Bildern von den besuchten Belgrader Cafés aus, spiegeln städtisches Flair, Straßenzüge oder Kaffeehaussituationen. Die Autorin ergänzt die Rezeptsammlung mit ethnografischen Details über die Ess- und Kaffeekultur ihrer Heimat, beschreibt einige traditionelle Feste, die eingebettet sind in einer überwiegend serbisch-orthodox geprägten Gemeinschaft. Sehr informativ, aber etwas ausführlicher gewünscht hätte ich mir ihren Exkurs über die Einflüsse auf die serbische Küche. Hier schimmert durch, wer von wem fremd- beherrscht wurde und damit wahrscheinlich auch Essgewohnheiten beeinflusst hat.

Das Abschlusskapitel ist salzigem Gebäck gewidmet. Ein kleine herzhafte Auswahl von Gibanica bis Žužu bereichert die Palette der vorangestellten süßen Köstlichkeiten. Nicht zufrieden bin ich mit dem Register. Die serbischen Originaltitel fehlen komplett. Žužu zum Beispiel, auch die eingedeutschten Bezeichnungen wie ‚Blätterteigquadrate‘ oder ‚Faule Pita‘ sucht man vergeblich. Das aber bleibt die einzige Aufgeregtheit.

Dennoch! Mit Süsses Belgrad schrieb Sara Plavic ein wunderbares Backbuch. Es ist ein kulinarischer Stadtbummel, in welchem Mohnstrudel, Krapfen, Kalter Hund, in deutschen Breitengraden auch Kalte Schnauze genannt, Omas Schokoladekuchen, Bajadera Schnitten, Kokoskugeln und viele andere Naschwerke die Hauptrolle spielen. Schön bebildert, führt uns dieses Backwerk durch 26 Belgrader Cafès wie auch private Küchen, um uns mit verführerischen Desserts zu verwöhnen. Mich versetzte Buchteln (Buhtle) fast in Ekstase, sind doch an diese mit Marillenmarmelade gefüllten „Wuchteln“ schönste Kindheitserinnerungen geknüpft. Deshalb ist jetzt Schluss. Ich muss in die Küche, die Lust auf Buchteln mit Vanillesauce …