Bernadette Wörndl, OBST

120 Rezepte von salzig bis süß

Mit Fotografien von Gunda Dittrich
Brandstätter Verlag, Wien, 2016, 240 Seiten, 34,90 Euro
ISBN 978-3-7106-0016-6
Vorgekostet

Heute fahren wir nach WIEN.

Dort lebt und werkt Bernadette Wörndl; Kochbuchautorin, Foodstylistin, Privatköchin und Rezeptentwicklerin in sich vereinend. Und noch zwei Schlagwörter tauchen in ihrem Lebenslauf auf, die mit Kochen in Verbindung gebracht, mich hellhörig werden lassen: Oma und Chez Panisse. Letzteres ein legendäres Bistro in Berkley, das mit Alice Waters höchstpersönlich einen köstlichen Trend auslöste: konsequent nur frische Zutaten beim Kochen zu verwenden. Und die Oma? Nun, wer verbindet nicht frühe kulinarische Kindheitserinnerungen mit seiner Großmutter? Knackig süße Klaräpfel sowie das Hollermandl – mit und ohne Birne – sind es, die mich an meine Oma erinnern und bei Bernadette Wörndl der Apfelstrudel, die Marillenmarmelade und einige Schmankerln mehr. Vielleicht mischte sich das Unterbewusstsein ein, als Wörndl sich entschloss, ihr neues Kochbuch dem Thema Obst zu widmen. Der Trend, Äpfel, Birnen, Feigen, Quitten und andere Früchte nicht nur zu Kompott, Marmelade, Pie oder Kuchen zu verarbeiten, hält wohl schon länger an. OBST, so der einfache Titel dieses neuen Kochbuchs, ist im Brandstätter Verlag erschienen und vereint 120 Rezepte von süß bis salzig.

Im Vorwort klärt die Autorin erst einige Fragen. Zunächst der Kompetenzbereich: Was alles wird dem Obst zugeordnet? Warum Rhabarber kein Obst ist, Tomate und Melone sehr wohl. Oder warum das Gemüse Rhabarber in diesem Obstbuch einen Platz erhält – das lässt sich übrigens leicht aufklären: Bernadette Wörndl mag Rhabarber für ihr Leben gern. So einfach können Antworten sein. Einige Rezepte mit Melonen finden sich im Buch, aber explizit keine mit Tomaten und die Antwort, warum keine Tomatenrezepte drin sind, bleibt die Autorin schuldig. Geprägt von Kalifornien ist ihr Anspruch, heimisches Obst zu verarbeiten und zwar dann, wenn es frisch vom Baum oder Strauch kommt. Ausnahmen, und wo gibt es die nicht, sind Zitrusfrüchte; aber Italien ist nicht weit. Und sollten die gelagerten Früchte aufgebraucht sein, dann werden die getrockneten Varietäten verarbeitet. Den Trockenfrüchten widmet Wörndl ein eigenes Kapitel und das ist sehr gescheit. Zur Hygiene gibt es die Losung, das Obst gut zu waschen, und am Ende die Aufforderung, flexibel zu sein und ihre Rezepturen individuell bezüglich Mengen und Zutaten zu erweitern. Es lebe die Freiheit und die Schönheit der Vielfältigkeit!

Die Rezepte sind in den 14 Kapiteln des Obst-Kochbuchs alphabetisch den Obstsorten zugeordnet: Apfel und Aprikose, Feige, Kirsche, Quitte, Stachelbeere und andere Sorten. Kein Wort verliert die Autorin darüber, welche Sorte der Frucht sich wofür eignet. Welchen Apfel sie bspw. für Omas Apfelstrudel oder die Bratäpfel mit Vanillesoße bevorzugt, ob sich für das Quitten-Tarte-Tatin die aromatischeren Apfelquitten besser eignen denn die Birnenquitten. Das heißt, die Warenkunde bleibt weitgehend ausgeklammert, das ist schade. Denn Wörndl ist eine begnadete Köchin und ihre Kreationen sind häufig ungewöhnlich. Der Quittenkäse entpuppte sich als wahre Gaumenfreude und Förderer meiner Experimentierfreude. Ob auf geröstetem Brot, mit geräuchertem Pecorino kombiniert oder mit Polentaschnitten serviert, die viele Zeit, die ich zur Herstellung dieses Obstkäses aufwendete, ließ mich das Quittenaroma voll und ganz vergessen. Die Bandbreite der Obstrezepte bewegt sich zwischen süß, sauer, salzig, traditionell und ungewohnt. Wiederbelebte Klassiker finden sich darin ebenso wie unzählige Neuschöpfungen. Die mit Couscous und Aprikosen gefüllten Sardinen schmeckten hervorragend und weckten meine Sehnsucht nach Süditalien, wo ich diesen Fisch ähnlich zubereitet schon mal gegessen habe. Der Ingwer-Birnen-Kuchen vereint die alte und die neue Welt und scheint eine Reminiszenz an die Zeit der Autorin in Kalifornien zu sein. Wunderschön machen sich die im dunklen Teig eingebackenen Birnen im Schnittprofil aus. Aber erst ein Koster lässt einen die belebende Frische des Birnenkuchens erfahren. Sehr angetan war ich auch von der Feigenblatt-Eiscreme. Obwohl anfangs etwas skeptisch, musste ich im Nachhinein mein Vorurteil revidieren und festhalten, dass dieses Feigendessert mehr ist als eine optische Fata Morgana. Aber es finden sich in diesem Kochbuch auch einige Obst und Fleisch- bzw. Fisch-Kombinationen. Oder Ungewöhnliches wie die Hollunderkapern. Südostasiatisch, und das mehr als nur angehaucht, ist das Huhn mit Aprikosen und Cashewnüssen. Phantastische Farben und ein Rausch an Aromen erwartet Sie, wenn Sie dieses Rezept nachkochen, das sich im Rezept-Ordner befindet. Hervorzuheben sind besonders die Foodfotos. Mehr schon Stilleben und damit Streicheleinheiten fürs Auge kommen sie dem idealen Anrichten der Speisen auf dem Teller sehr nahe. Jahreszeitensymbole und ein ausführliches Register runden dieses Themen-Kochbuch ab. In elegantem Layout, Schwarz und Gold dominieren, werden Obst-Gerichte zu einem sinnlichen Erlebnis.

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert