Tanja Grandits, EINFACH TANJA

Gemüseküche zum Teilen und Geniessen

Mit Fotos von Lukas Lienhard

AT Verlag, Aarau und München, 2. Auflage 2023, 336 Seiten, 43.- Euro

ISBN 978-3-03902-221-2
Vorgekostet

Heute geht es ums EINFACH KOCHEN.

Darunter versteht Tanja Grandits zunächst mal einfach loslegen, aus dem Bauch heraus etwas tun in der Küche. Auch nach der Tagesarbeit und wenn sie müde ist, etwas Einfaches, aber Gutes zubereiten, was ihre Tochter abends oder am nächsten Morgen zum Frühstück genießen kann. Dafür wechselt sie von der großen Gastro- in die kleine private Küche, das Epizentrum ihres Lebens, wie sie im Vorwort ihres Kochbuchs EINFACH TANJA schreibt. Ihre Küche ist ein Hort des Glücks, wo Kochideen Wirklichkeit werden. Und Einfach bedeutet für Tanja vorrangig nicht unkompliziert, gewöhnlich oder schlicht. Vielmehr ein Sammelbegriff für Gerichte, die einfach in einer Schüssel, im Topf, in der Pfanne, auf einer Platte in der Mitte des Tisches gestellt werden. So ist dieses Kochbuch entstanden mit vegetarischen Rezepten für eine größere Runde am Tisch. Und Mengenangaben, die sechs Personen glücklich machen. 

In sechs Kapiteln werden hier Gerichte präsentiert, die in die Kategorie kitchen dinners fallen, also Alltagsküche mit qualitativ hochwertigen Produkten. Das heißt in diesem Fall, Vollmilch und Sahne sowie Bio-Eier. Zum Veganisieren werden die tierischen Produkte ersetzt bspw. das Naturjoghurt durch Kokosjoghurt.

Am Anfang stehen aber Speisen, die im Prinzip das Rohe in den Vordergrund stellen, um es mit Claude Levy-Strauss auszudrücken. Die Produkte, die nicht gekocht Natur pur sind, bringen ihren Eigengeschmack direkt und unmittelbar auf den Teller. Salate mit Eigenleben bringen sich in Stellung. Eine große Schüssel in der Mitte des Tisches, aus der sich alle schöpfen, hat etwas Verbindendes und im Wortsinn Frisches. Dem Salat wird hier mehr zugetraut, als nur eine Beilage zu sein. Für Tanja liegt der Reiz der Salatzubereitung darin, aus den schier unzähligen Möglichkeiten die passenden Produkte auszuwählen und in einer überraschenden Kombination neu zu präsentieren. Da wird Chicorée mit Mozarella und schwarzem Sesam zu einer knackig frischen Vorspeise, die mit Feigen versüßt wird. Im Prinzip ähnlich nur mit ganz anderen Zutaten ist der Sellerie-Linsen-Salat mit Birne und Haselnüssen eine kleine Eiweißbombe, und nicht zu unterschätzen, ist doch der Eiweißgehalt von Linsen höher als der von Fleisch. In diesem Gericht tritt knapp Gekochtes in Erscheinung. Ein Zugeständnis an das strukturell Rohe. Etwa beim Randen-Apfel-Salat mit Quinoa und Meerrettich. Dabei ist es nicht die Rote Bete, sondern der Quinoa, der mit Wasser aufgekocht wird. Auf dem Teller verspricht der erste Bissen Knackig-Knuspriges mit erdigen, süß-sauren und scharfen Aromen. Ein wahrer Genuss. Nicht nur für Tanja ist an warmen Tagen ein Sommersalat ein perfektes Mittagessen. Der Rübli-Kokos-Salat mit Datteln und Orangenblütenwasser gehört dazu wie auch der Fenchel-Gurken-Salat, der mit Hüttenkäse-Tahini und Szechuanpfeffer Levante- und China-Feeling versprüht. Und was macht die Salate unvergleichlich? Na, beherzigen Sie mal diese fünf Tipps, dann reden wir weiter. Also: Die Zutaten können roh, gebraten oder geröstet sein; die Schüssel sollte größer als die Menge der Zutaten sein; haben Sie Mut zu Kontrasten; verleihen Sie ihren Mischungen mit Hülsenfrüchten, Tofu oder Käse mehr Textur und verwenden Sie Kräuter nicht bloß als Dekoration. Kaum taucht man tiefer in die Rezeptwelt von Tanja Grandits ein, fällt auf, dass einige Produkte immer wieder zum Einsatz kommen. Sesam, Nüsse, Tahini und andere – die sollte man für Grandits Rezepte im Hause haben. Diese und kleine Zaubermittel aus dem Vorrat ändern eigentlich alles. Gemeint sind so besondere Mixturen wie Spicy Granola oder Asia-Relish und andere, die den Gerichten einen besonderen Kick geben. Also Würzmischungen, Fonds, aromatisierte Öle – Grandits magische Rezepturen, die im sechsten Kapitel: Aus dem Vorrat, zusammengefasst sind. Sie bilden für die Köchin das geschmackliche Rückgrat eines harmonischen Gerichts, bestehend aus Süße, Säure, Salz und manchmal aus etwas Schärfe. Bspw. verleiht Zimt-Ajvar, eine Art Ketchup, Spiegeleiern eine fruchtige Note, wie es auch gut mit Basmatireis serviert werden kann.

Wenn es mit Aus der Schüssel beginnt und Aus dem Vorrat endet, so liegen dazwischen noch vier Kapitel, die sich auf vier unterschiedliche Servier- bzw. Zubereitungsarten stützen.

Aus dem Topf steigen verführerische Düfte einer Vielzahl von Suppen, die uns Tanja vorschlägt und die vor allem eines kennzeichnet: ein kunterbuntes Zutatengemisch, das erstaunt. Brokkoli mit Kokosnuss, Kürbis mit Essig-Rosinen, Petersilie mit Zimt und Ziegenkäse und andere Gemüsekombinationen, die zu Suppen mit Kleingeschnittenem eingekocht werden. Diese Gerichte können stundenlang vor sich hinsimmern. Müssen es aber nicht, wie Grandits zeigt, denn nach wenigen Minuten ist man eingefangen von den Aromen der Suppen, Dals und Risotti sodass man jedes Zeitgefühl verliert. Dabei sollte man Grundsätzliches für Topfgerichte nicht vergessen. Gewürze brauchen Großzügigkeiten und gehören von Anbeginn an in den Topf, erinnert uns Tanja. Auch dass Toppings eine Suppe oder viele Löffelgerichte zu einem Rundumvergnügen machen. Sie können mit knusprigen oder cremigen Zutaten gemacht werden – und am liebsten mit beidem.

Die Blumenkohl-Safran-Suppe mit Oliven bekommt erst mit den ‚Griffeln des Krokus‘ seine unvergleichliche Note. Und die Kichererbsensuppe mit Sesamjoghurt fällt unter die Sparte: gesund! Wie auch die Linsensuppe mit Tahini und Süßkartoffeln. Sie enthält noch einige magische Zutaten mehr, die sie dann zu etwas Besonderem machen. Für Tanja ist es Sesam und noch mehr Sesam, während mich die sämigende Wirkung der Kokosmilch und der betörende Geschmack des Kreuzkümmel begeistern. Und würde ich nicht den Sternanis so mögen, Grandits Pilz-Pho mit Sternanis und Glasnudeln wäre mir ein Verstoß gegen die klassische vietnamesische Küche. Inspiriert wurde die Köchin von der Nudelsuppe pho bo. Dabei ersetzt sie das Rindfleisch mit einem Pilz-Dreierlei und lässt erstaunlicherweise Koriander, Minze und asiatisches Basilikum komplett außen vor. Pho-Hardlinern wird das gar nicht schmecken. Dass Dill anstelle von Koriander verwendet wird, ist, wie auch die innovative Neuschöpfung mit Sternanis und asiatischen Pilzen, sehr gelungen. Musste man früher für die Nudelsuppe pho bo gar einen Tag und eine Nacht aufwenden, so sollte die vegane Pho-Version mit Pilzen in knapp einer Stunde tischfertig sein. Auch schnell zubereiten lässt sich der Risotto mit Randen, Dinkel und Haselnüssen. Den Reis durch Dinkel zu ersetzen ist nicht neu, aber dem Risotto einen rotschillernden Farbton zu verpassen eine wahre Augenweide. 

Nachgebaut und Freunde eingeladen habe ich zum Verkosten des Kürbispilaw mit Ingwer und Cashews. Dieses würzige, süß-saure Gericht wurde bis zum letzten Löffel ausgelöffelt, weshalb nicht bestätigt werden kann, dass dieses Gericht am nächsten Tag noch besser schmecke.

Jetzt wird es aber Zeit, sich dem dritten Kapitel zuzuwenden. Es gibt keinen größeren Gegensatz zwischen dem Schmoren im Topf und dem Braten in der Pfanne, befindet die leidenschaftliche Köchin und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. Und recht hat sie. Während im Topf die Speisen eher gemächlich vor sich hin schmurgeln, stellen sich tischfertige Garresultate mit der Pfanne sehr schnell ein. Pfannengerichte haben neben ihrem geschmacklichen Charme auch einen geselligen findet die Betreiberin des Basler Restaurants Stucki. Und weiter: Es ist ein schöner, ehrlicher Moment, wenn man das Essen in der Pfanne zubereitet und danach ohne weitere Umstände direkt auf den Tisch stellt. Denn die Tischrunde lauert schon darauf, sich endlich aus der gusseisernen Pfanne zu bedienen. Ob das die Chinakohl-Rouladen mit Kichererbsen und Erdnusssauce sind oder die Kürbis-Tataki mit Miso-Minz-Sauce. Aus allen Küchen der Welt werden Ideen in Grandits Gerichte eingearbeitet, aus den USA die Erdnussbutter, Mexiko ist mit Guacamole vertreten, die Sesampaste der Araber kommt zum Zuge wie auch die Rüebli, die einem Hofknicks an die Eidgenossenschaft gleichkommen. Aus der indischen Küche entlehnt sind die Fenchel-Pakoras. Und König Spargel lässt sich auf ein Gspusi mit  dem Hüttenkäse ein; goldgelb gebraten konnte meine Enkelin Nika von der dicken Tortilla francesa nicht genug bekommen. Ich aber bin abgefahren auf den Blumenkohl-Mohn-Fritter mit Orange, auch wenn dieses Karfiol-Gericht nicht unbedingt einfach im Sinne von schnell zubereitet ist. Erwähnen sollte ich noch, die Fritters sind eine Art Mohnknödel, aber ganz anders.

In der Einleitung zu den Pfannengerichten werden auch Tipps abgegeben, wobei erstens die Größe der Gemüsestücke, zweitens das richtige Bratfett von Bedeutung ist und drittens mit Sojasauce, Ahornsirup aber auch Würzsaucen sich der Geschmack intensivieren lässt. Es fänden sich noch mehr Tipps, aber wir blättern weiter zu den Ofen- und Blech-Gerichten. Lassen uns wieder überraschen von Speisen wie Honiggebackener Feta mit Fenchel und Zitrone oder Grünes Ofengemüse mit Rosmarin und Mandelsalsa. Tanja Grandits scheint ein absolutes Gespür für Kombinationen zu haben. Zwei, drei Hauptzutaten, ein paar Aromengeber und fertig. Im Schnitt sind es 15 bis 20 Ingredienzen pro Rezept, einige kommen mit weniger aus, wie der Kümmel-Cracker oder das Basilikum-Brioche, das ich gerne mit einer Suppe serviere. Absolute Highlights aber waren zwei Kuchen, die beide von meinem Chor nach der Probe mit großem Vergnügen ‚vernascht‘ wurden. Der Apfel-Ingwer-Kuchen besticht durch seinen großen Fruchtanteil. Der Teig fungiert mehr wie ein Sicherheitsnetz, das die Apfelstücke zusammenhält. Und der Mohn-Earl-Grey-Cake behielt seine Saftigkeit unter einer Zuckergusshaube, wobei bei mir der Guss sehr blass, eher durchscheinend ausfiel, was aber keine Qualitätseinbuße bedeutete. 

Die Autorin gesteht, dass für sie der schönste Abschluss eines vergnüglichen Essens aus einem fruchtigen Geschmack besteht. Im Kapitel Aus der Schale werden dann auch mehr als ein Dutzend fruchtig-süße Desserts zum Löffeln vorgestellt. Festzuhalten ist, dass ihre Dessertfavoriten im Idealfall eine cremige Grundlage und immer einen knusprigen Kontrast haben. Ob es sich um Quark-Mohn-Knödel mit Thymian-Himbeeren oder Gelbe Grütze mit Honig-Safran-Sauce oder Basilikumeis mit Ananas-Anis-Kompott handelt, den besonderen Touch erhalten sie mit den Kräutern oder Gewürzen. Und im stillen Vertrauen gesagt, die Fruchtdesserts lassen sich gut vorbereiten und noch herzhafter löffeln. Die Gelbe-Grütze mit Honig-Safran-Sauce ist jedenfalls immer eine Versuchung. Wie auch die Zaubermittel für die Küche, die im Aus dem Vorrat-Kapitel zu finden sind. Gemacht habe ich den Kräutersenf, der jetzt zu jedem Abschluss mit Käse aufgetischt wird, und das wohl noch länger. Der Senf macht sich auch gut in der Salatsauce.

EINFACH TANJA ist ein kleines Meisterwerk. Das Layout ist einfach und grandios, weil einfache Umrisszeichnungen von diversen Zutaten und Küchenutensilien die strenge Struktur auflockern. Der Foodfotograf Lukas Lienhard beeindruckt mit Bildern, die den Kern der Gerichte sichtbar machen.

EINFACH TANJA ist kein einfaches Kochbuch im Sinne von simplen Rezepten. Es wird aber auch keine Restaurantküche zelebriert. Neugierige, die ihre Alltagsküche vegetarisch und vielleicht vegan aufstocken wollen, sind mit diesem Kochbuch gut bedient. Grandits Konzept ist einfach: gute, frische Zutaten und Zeit zum Kochen für sich und Freunde; die Mengen sind für sechs gerechnet. Serviert wird in Schüsseln, Schalen, Pfannen und Töpfen oder Blechen – auf Rechauds oder Untersetzer tischmittig. Dann wird gelöffelt. Am erstaunlichsten aber ist die Vielfalt der Rezepte. Mit rund 200 sollte man mehr als ein halbes Jahr jeden Tag seinen Lieben ein anderes Essen vorsetzen können, ohne sich zu wiederholen oder dass es fad wird. Anders ausgedrückt: es gibt kein Rezept, das man nicht ausprobieren möchte. Es sind Kochideen die überraschen bzw. zu Neuem animieren. So verwendete ich die über gebliebene Blumenkohl-Safran-Suppe als Sauce für die Kaspressknödel. Einfach so und dank EINFACH TANJA.