Eva Fischer, Vorarlberger Küche

´s Bescht usom Ländle. Altbewährte & neu interpretierte Rezepte.

Fotografiert von Eva Fischer
Tyrolia Verlag, Innsbruck, 2. Auflage 2022, 192 Seiten, 24.95 Euro
ISBN 978-3-7022-3981-7
Vorgekostet

Heute reisen wir ins LÄNDLE.

So nennen die Vorarlberger liebevoll ihr Heimatland, und wenn sie ‚usm ländle‘ sagen in diesem typisch allemannischen Singsang, dann schwingt auch ein bisschen Stolz mit wie auch Verbindendes. Das westlichste Bundesland Österreichs war früher vom Osten abgeschottet, durch einen Gesteinsriegel namens Arlberg, schwer erreichbar. Heute fährt man durch den Arlbergtunnel und ist von Innsbruck kommend in zwei Stunden in Bregenz. Dem Lockruf der Bregenzer Festspiele erliegen nicht wenige Tiroler, vielleicht auch, weil sie hoffen, dort leibhaftig James, James Bond 007 anzutreffen. Aber Bregenz hat mehr als die Festspiele und das Ländle mehr als Bregenz. Es sind die Talschaften, die dieses Ländle so topographisch abwechslungsreich gestalten, und jene Menschen mit ihrer ureignen Sprachmelodie, die nicht so leicht verständlich ist. Und mit dem Allemannischen sind Narrative wie Fleiß, Sparsamkeit, Schaffenskraft und Freiheitsliebe verbunden, schreibt Lisa Fischer in ihrer kleinen Einführung ins Kochbuch Vorarlberger Küche, das im Tyrolia Verlag herausgekommen ist.

Es ist erstaunlich, was an Kulturleistungen, die geknüpft sind an Personen wie Angelika Kaufmann oder Franz Michael Felder, dieses Ländle hervorgebracht hat. Während im Rheintal vor allem die Textilindustrie das Land veränderte, hat sich im alpinen Umfeld die bäuerliche Struktur kaum gewandelt. Im Bregenzerwald bspw. leben immer noch mehr als tausend Bergbauernfamilien. Keine Großbetriebe mit Riesenställen und kein Siloturm verschandelt die Landschaft. Tourismus und Milchwirtschaft. Kühe auf grünen Wiesen liefern das Ausgangsprodukt für Butter und den unvergleichlichen Vorarlberger Bergkäse. Beachtlich auch die Dichte an guten Restaurants und Gasthöfen, die regionale und Haubenküche auftischen. Wir aber lassen uns von Eva Fischer die Vorarlberger Alltagsküche vorführen, die einfach und raffiniert durchaus auch Sterneniveau hat. In sieben Kapiteln nähert Eva sich der Vorarlberger Küche an. Dabei scheut sie sich nicht, uns Speisen vorzustellen mit zungenbrechenden Idiomen, deren Bedeutung wir uns über die Zutaten erschließen. Damit wir aber nicht ganz vor den Kopf gestoßen werden, gibt es eine knappe Einführung, a bizzle über do Vorarlberger Dialekt: An Guata! ist eh klar, aber dass Brotos Gebratenes, Diegenes Selchfleisch, Grümperle kleine Kartoffeln, Hepf Hefe und Schlotzer Lutscher im Dornbirner Mundart heißen, ist außerhalb Vorarlbergs wohl wenigen bekannt. Die Aufklärung folgt der Einführung in die Ländle-Küche; zwei Seiten Vokabeln: vorarlbergerisch – deutsch.

Zum kulinarischen Auftakt gibt es Süpple und Salöt, in unzähligen Varianten. Die Breagenzar Fischsuppo als Ausdruck des Fischreichtums im Bodensee lässt Stücke von Felche, Forelle, Zander aber auch Lachsforelle in diesem feinen Süppchen dümpeln. Ins Hinterland katapultiert uns die Breagenzar-Wälder Kässuppo, die mit viel Schlagobers und Bregenzerwälder Bergkäse schon sehr deftig ist. Sehr gut gefallen, also optisch, hat mir die Flädlesuppo, die die Frittaten wohlgeordnet, als mehrschichtige Sechser darin schwimmen lassen. Es werden noch einige Suppen mehr vorgestellt, mit Rollgerste, Gselchtem, Kraut, Most und anderen geschmackgebenden Hauptkomponenten. Im selben Kapitel angesiedelt sind nicht wenige Salatkreationen, die wohl die Herzen vieler Rohkostgenießer höher schlagen lassen. Ist der Öpfol-Sellerie-Rohkost-Salot nach 25 Minuten servierfertig, so muss für den Krutsalot mit 2,5 Stunden gerechnet werden, denn der Salat sollte mindestens zwei Stunden ziehen, um das beste Aroma zu erreichen. In Kapitel zwei präsentiert uns Eva dann Käs-Rezepte und Bsundrigs. So gibt es als moderne Variante Buchweizen-Käsflada mit Bärlauch, ein feines Frühjahrsgericht, das zwischen Pizza und Flan changiert. Wer den knofligen Bärlauch nicht mag, kann auf klassischa Käsflada ausweichen, der eigens vorgestellt wird. Ebenfalls in dieser Abteilung finden sich eine Reihe an Käsknöpfle bzw. Kässpätzle Variationen, Gerichte, die unter Vorarlberger Nationalspeise firmieren. Das beginnt mit nackate Spätzle. Sie passen wegen ihrer Geschmackanpassungsfähigkeit hervorragend zu Wild als Beilage. Gehaltvoller sind dann die Spinatspätzle, aber vor allem die Käsknöpfle. Letztere werden mit Vorarlberger Räßkäse zubereitet. Diese Knöpfle, abgedeckt mit in brauner Butter gerösteten Zwiebeln, stellen für mich das Vorarlberger Essen par excellence dar. Ein kurzer eingeschobener Exkurs vermittelt Wissenswertes wie Herkunft, Zubereitung im Ländervergleich, Spätzlegrößen und welche Käsemischungen verwendet werden, über diese heimliche Nationalspeise. So wusste ich nicht, dass in Vorarlberg Kässpätzle traditionell mit Kartoffelsalat und Apfelmus serviert werden, oder einfach mit einem grünen Salat, eine Kombination, die die Autorin bevorzugt.

Ein weiterer Einschub befasst sich noch mit dem Riebel oder Ribol oder Stopfar oder Brösel, der mit Riebelmais, das ist Weizen- oder Maisgries zubereitet wird. Für viele ein Essen aus Kindertagen. Auch hierzu gibt es eine nicht kleine Anzahl an Variationen vom einfachen Ribol über den Säer, das ist ein eingesäter Riebel, und Stopfar mit Hoadlbeerkompott bis zur Ribol-Waffla. Der Stopfar, das sollte noch erwähnt werden, wird mit ein wenig Schlagobers und Buchweizenschrot verfeinert. Eva Fischer hat auch ein eigenes Ribol-Rezept kreiert, darin ersetzt sie das Wasser durch Mandelmilch und süßt mit Ahornsirup. Dazu gibt es Kirschkompott oder Apfelmus; ein sehr gesundes Gericht.

Schupfnudeln mit und ohne Käse ist nicht unbedingt was Bsundrigs, oder doch? Auf alle Fälle zählen der Sauerkrautstrudel, das Buroomlett (Bauernomelette) als auch die sure Grumpora (saure Kartoffeln) dazu.

Die weiteren Kapitel widmen sich dann Hauptspeisa mit Fleisch und weiters den Bodensee- und Bergbachfischen.

In der Fleischabteilung treffen traditionelle und moderne Strömungen aufeinander. Der Hackbroto (Hackbraten) wurde wohl einigen Generationen am Sonntag serviert, während der Ländle Burger und das Mostbröckle-Sandwich der jungen VorarlbergerGeneration und sich verändernden Essgewohnheiten zuzurechnen ist. In diesem Kapitel wechseln sich die Essensvorstellungen von Großmütter und Enkelkindern mit den Rezepten ab. Spannend wäre die Frage, ob in Mehrgenerationenhaushalten beides auf den Tisch kommt, zum Beispiel Rindsvögele mit Grumporapüree für die ‚Oldies‘ und Hufoloab-Burger mit Schwisbroto und sura Räba für die ‚Teenies‘. Die Felchen nach Breagenzar Art sollte Alt und Jung gleich munden, die Kapern und Zitronenmelisse geben dem Bodenseefisch eine besondere Note. Felchen oder Renken, wie sie im Restösterreich genannt werden, haben grobschuppige Haut und eine Fettflosse, beides empfiehlt Eva zu entfernen. Vielen Rezepten sind am Ende derartige wertvolle Tipps angehängt.

Das vorletzte Kapitel widmet sich den Beilagen. Schmeckt eine Hauptspeise ohne Beilagen? Nein, aber brauchen wir für Petersil-, Salz- oder Ofenkartoffeln ein Rezept? Nein, und deshalb stellt die Autorin hier ein paar Rezepte vor, die nicht so bekannt sind. Als Zuospeis für Selchfleisch und Schweinernes fungieren Rüben sauer und süß und extra angeführt zwei eigenständige Gerichte, die unter Krut & Räba zusammengefasst sind. Gemeint ist Sutt, die eigentlich nichts anderes als die bekannten Pellkartoffeln sind, und von Eva mit Topfen und Käse aufgerüstet werden zu einer Hauptspeise.

Ein althergebrachtes Rezept ist der Hafoloab, ein weckenförmiges Gericht aus Mais- und Weizenmehl, das in einer Rindssuppe gekocht wird. Das Ganze in dreierlei Variationen, sodass jeder Geschmack bedient wird. Die Süosse Speissa lassen ebenfalls Klassiker aufleben, Schmankerl, die im mitteleuropäischen Raum weit verbreitet sind. Dazu zählen Buchteln wie auch Schittorhuafe. Wer nicht genau hinhört, könnte Letzteres als Schitourhufen übersetzen, ein Nonsens-Gericht, mit Scheiterhaufen als Berichtigung, aber bei allen Tirolern ein Lächeln auslöst. In diesem Abschnitt stoßen wir auf einige Bekannte, allerdings die Funkoküachle waren mir neu. Sie werden traditionell für den ersten Sonntag nach Aschermittwoch gebacken.

Im letzten Kapitel gibt es noch Unterweisungen im Einkochen und werden Grund- wie auch Getränkerezepte vorgestellt. Die Süosslarschnitz (Kompott aus Dörrbirnen) haben meine Enkel mit Begeisterung verschlungen, für sie habe ich allerdings den Weißwein und den Schuss Rum weggelassen. Im Rezeptregister gelandet, muss ich feststellen, dass Eva Fischer uns sehr umfangreich mit Vorarlberger Kost bedient, was ich beim Durchblättern so nicht wahrgenommen habe. Schön und großzügig gestaltet ist das eine oder andere Rezept aus der Vorarlberger Küche. Die zahlreichen Gerichte lassen uns die kulinarische Vielfalt dieses kleinen Landstrichs erkennen, ein Eindruck, den tolle Landschaftsbilder betonen.